Politik

SPD: "Ein Placebo" Gesetz soll Ärztepfusch beenden

Jedes Jahr sterben Menschen wegen Ärztefehlern. Den Beweis dafür zu erbringen, ist für Hinterbliebene dann oft schwer.

Jedes Jahr sterben Menschen wegen Ärztefehlern. Den Beweis dafür zu erbringen, ist für Hinterbliebene dann oft schwer.

(Foto: dpa)

In hunderten Fällen jährlich geht es Menschen nach dem Arztbesuch nicht besser, sondern schlechter. Schwarz-Gelb will dem Ärztepfusch jetzt den Kampf ansagen und legt ein Gesetz vor. Doch viel steht nicht drin, findet die Opposition und spricht dem Regelwerk von Gesundheitsminister Bahr die Wirkung ab.

Die Patienten in Deutschland werden laut Union und FDP künftig per Gesetz wirksam vor gefährlichen Ärztefehlern geschützt. Die Opposition warf der Koalition im Bundestag dagegen vor, mit dem geplanten Patientenrechtegesetz beim Schutz der kranken Menschen zu versagen. "Dieses Patientenrechtegesetz wird dazu beitragen, Fehler im ärztlichen Verhalten künftig besser zu vermeiden", sagte Gesundheitsminister Daniel Bahr bei der ersten Lesung. SPD-Gesundheitsexpertin Marlies Volkmer hielt dem entgegen: "Dieses Gesetz ist ein Placebo."

Erstmals sollen die Patientenrechte nach jahrelangen Debatten nun in einem Paragrafenwerk gebündelt werden. Patienten müssen laut dem Entwurf verständlich und umfassend über Behandlungen und Diagnosen informiert werden. Dazu dient ein Behandlungsvertrag. Patientenakten sollen vollständig und sorgfältig sein. Patienten erhalten ein Recht auf Akteneinsicht. Bei groben Fehlern muss der Arzt beweisen, dass der nachgewiesene Fehler nicht den eingetretenen Schaden verursacht hat. Dies war bisher bereits aufgrund von Urteilen gängige Praxis.

Beweisführung im Zweifelsfall schwer

Bahr nannte beispielhaft Fehler, die eingedämmt werden sollen. "Bei Verdacht auf Krebs wird vielleicht das Gewebe nicht zur Untersuchung eingeschickt, ein Röntgenbild wird vielleicht falsch gedeutet." Im Verdachtsfall bekämen Patienten nun das Recht, ihre Krankenkassen etwa für Gutachten in Anspruch zu nehmen. "Meldungen wie 'Falsches Bein amputiert' dürften künftig der Vergangenheit angehören", sagte der Patientenbeauftragte Wolfgang Zöller von der CSU.

Bahr verteidigte das Prinzip, dass Ärzte auch künftig nicht generell beweisen müssen, keinen Fehler gemacht zu haben. "Eine generelle Beweislastumkehr würde zu amerikanischen Verhältnissen führen." Ärzte würden dann jedes Risiko vermeiden. "Wir wollen in Deutschland eine Fehlervermeidungskultur, nicht eine Risikovermeidungskultur."

Volkmer entgegnete, die Beweismittel habe zu 100 Prozent der Arzt, doch die Beweislast liege zu 100 Prozent beim Patienten. "Er muss langwierige und teure Prozesse führen." Wenn etwa im Fall einer Klinikinfektion das Krankenhaus wahrscheinlich die Verantwortung trage, müsse es weitere Beweiserleichterungen für Patienten geben. Zudem solle ein Härtefallfonds eingerichtet werden, aus dem Opfer von Ärztefehlern unterstützt werden könnten. Dies lehnt die Koalition ab - die Verursacher selbst sollten für Schäden bezahlen.

Opposition: Vertrauen leidet

Für die liberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die den Entwurf mit Bahr erarbeitet hatte, ist die Vermeidung eines Gegeneinanders von Ärzten und Patienten zentral: "Wir brauchen doch das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten, und auch das wird mit diesem Gesetzentwurf gestärkt."

Genau dieses Vertrauen sieht die Opposition jedoch stark belastet, wie die Linke Martina Bunge sagte: "Für Vertrauen brauchen wir ein Gesundheitssystem, das nicht Tummelplatz wirtschaftlicher Interessen ist." Die Gesetzespläne brächten keine Abhilfe. Kritisch sehen SPD, Linke und Grüne etwa die Selbstzahlerleistungen in den Praxen - auch künftig könnten Ärzte Patienten zu Untersuchungen ohne klaren Nutzen überreden. Bahr machte geltend, dass die Koalition den Versicherten freie Entscheidung zutraue: "Wir gehen vom mündigen Patienten aus."

Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink kritisierte, die Koalition scheue vor verbindlichen Standards für jede Praxis und jedes Krankenhaus zurück - etwa zum Umgang mit Beschwerden. Gernot Kiefer, Vorstand des Krankenkassen-Spitzenverbands, forderte Nachbesserungen bis zur Verabschiedung, etwa für eine leichtere Beweisführung für die Betroffenen bei einem Verdacht auf Fehler.

Die Zahl offiziell registrierter Kunstfehler von Ärzten in Deutschland steigt: In 2287 Fällen kamen ärztliche Gutachterstellen im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass Behandlungen, Diagnosen oder die Patientenaufklärung fehlerhaft oder unzulänglich waren. Das waren 88 Fälle mehr als 2010. Für 99 Patienten endete der Ärztepfusch tödlich. 721 Patienten erlitten Dauerschäden. Insgesamt erkannten die unabhängigen Gutachter in mehr als 1900 Fällen den Fehler als Ursache für einen Schaden an. Diese Zahlen nennen die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern.

Quelle: ntv.de, Basil Wegener, dpa

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