Auslegungsprobleme Gesetzentwurf für Mindestlöhne
15.01.2008, 11:04 UhrDie Pläne von Arbeitsminister Olaf Scholz zur Ausweitung von Mindestlöhnen stoßen in der Regierung auf große Vorbehalte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von "erheblichem Diskussionsbedarf". Sie warf dem SPD-Minister indirekt vor, die Koalitionsbeschlüsse einseitig auszulegen. Die Gesetzentwürfe habe Scholz "nach seinen Vorstellungen" verfasst, "wie es ihm richtig erscheint". Scholz beharrte darauf, er habe die Eckpunkte lediglich eins zu eins umgesetzt. "Es wird sicherlich Diskussionen und Getöse geben, aber keine großen Konflikte", sagte Scholz.
Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) warf dem Arbeitsminister aber vor, er wolle die Tarifautonomie aushebeln. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sprach sogar von einem "Anschlag auf die Tarifautonomie". Scholz bereite mit seinen Gesetzentwürfen den Weg für "staatliche Lohndiktate".
Scholz hat zwei Gesetzentwürfe für die Ausweitung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen und zur Aktualisierung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes von 1952 vorgelegt. Das eine soll in Branchen mit einer Tarifbindung von über 50 Prozent mehr Mindestlöhne ermöglichen, das andere in Wirtschaftszweigen, in denen nur wenige Beschäftigte nach Tarif bezahlt werden. Dies hatte die Koalition im Juni 2007 vereinbart. Das Kabinett wird sich damit frühestens im April befassen. Bis dahin haben Branchen Zeit, die Festlegung von Mindestlöhnen zu beantragen.
Merkel: Vorrang für Arbeitsplätze
Merkel sagte in Berlin, Maßgabe für die Beratung der Entwürfe sei immer: "Nicht Arbeitsplätze vernichten, sondern Arbeitsplätze schaffen, und für faire Bezahlung eintreten natürlich." Es sei selbstverständlich, dass ein erster Entwurf "umfassender Diskussionen" bedürfe und "dass man nun darum ringt, wie wird das nachher wirklich ausgeführt".
SPD-Fraktionschef Peter Struck unterstützte Scholz. Dieser habe genau das vorgelegt, was in der Koalition vereinbart sei.
Glos - im Kabinett schärfster Gegner von Mindestlöhnen - griff Scholz an. Der Staat müsse sich aus der Lohnfindung heraushalten und dürfe die Tarifautonomie nicht aushebeln.
In einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden internen Vermerk des Glos-Ministeriums heißt es, Scholz habe die Koalitionsbeschlüsse vom Juni "sehr mindestlohnfreundlich" ausgelegt oder sei darüber hinaus gegangen. Das Wirtschaftsministerium werde auf einer "möglichst restriktiven Umsetzung" bestehen.
Gleichzeitig widerspricht das Ministerium in dem Papier der Auffassung von Scholz, dass seine Pläne die Festlegung von Mindestlöhnen in allen Branchen ermöglichten und somit "keine weißen Flecken" blieben. Das Wirtschaftsministerium geht davon aus, dass Branchen zwar unter das Entsendegesetz fallen, sich aber nicht auf einen Tarifvertrag einigen können. Diese könnten dann nicht auf das Mindestarbeitsbedingungengesetz ausweichen. "Es entstehen also 'graue Flecken' von Branchen, die keinen Mindestlohn haben", heißt es zustimmend in dem Vermerk.
Scharfe Attacke von Hundt
Arbeitgeberpräsident Hundt nannte die Pläne von Scholz einen "Anschlag auf die Tarifautonomie, den ich nicht für möglich gehalten hätte". Wenn dessen Entwürfe Gesetz würden, "wären staatliche Lohndiktate möglich, mit dem sogar geltende Tarifverträge außer Kraft gesetzt werden könnten". Die Regierung dürfe keine "Verstaatlichung der Lohnfestsetzung" betreiben.
Quelle: ntv.de