Blutiges Wochenende Gewaltausbruch in Nahost
02.03.2008, 20:15 UhrUngeachtet aller internationalen Appelle eskaliert die Gewalt im Gazastreifen weiter. Bei den blutigsten Kämpfen seit mehr als vier Jahrzehnten wurden am Wochenende 74 Palästinenser und zwei israelische Soldaten getötet. Israel will seine Militärschläge fortsetzen. Auch militante Palästinenser feuerten nach Armeeangaben 28 Kassam-Raketen sowie drei Grad-Raketen ab, die auch weiter von der Grenze entfernt gelegene Städte wie Ashkelon treffen können. Der UN-Sicherheitsrat forderte beide Konfliktparteien am Sonntag in New York auf, dem Blutvergießen ein Ende zu setzen.
Unterdessen griff die Gewalt auch auf das Westjordanland über. Bei Palästinenserprotesten in Hebron töteten israelische Soldaten einen 13 Jahre alten Jugendlichen. Angesichts der höchsten Opferzahlen seit dem Sechstagekrieg von 1967 setzte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die erst im Januar begonnenen Friedensgespräche mit Israel aus. Zur Versorgung der mehr als 250 Verwundeten öffnete Ägypten erstmals wieder seinen Grenzübergang zum Gazastreifen in der Stadt Rafah.
Staatengemeinschaft besorgt
Die internationale Gemeinschaft reagierte mit Besorgnis. UN- Generalsekretär Ban Ki Moon erkannte zwar das Recht Israels auf Selbstverteidigung an, kritisierte aber zugleich eine "unangemessene und überzogene Gewaltanwendung". Alle Parteien sollten sich wieder dem Friedensprozess zuwenden, forderte er.
Die Europäische Union kritisierte das Vorgehen Israels im Gazastreifen als unangemessen. Die slowenische EU-Ratspräsidentschaft veröffentlichte am Sonntag in Brüssel eine entsprechende Erklärung im Namen der 27 Mitgliedstaaten. In einer Reaktion von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier heißt es: "Die Eskalation der Gewalt in Gaza erfüllt mich mit großer Sorge. Mit dem Beschuss der israelischen Stadt Ashkelon hat der Raketenbeschuss eine neue Qualität erreicht." Dies sei nicht hinnehmbar. Israel müsse den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.
Unverhältnismäßige Gewalt
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf Israel vor, die Luft- und Artillerieangriffe unter rücksichtsloser Missachtung des Lebens von Zivilisten auszuführen. Die Direktorin des UN-Hilfswerkes für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), Karen Abu-Zayd, sagte: "Ich bin geschockt von der Gewalt in Gaza, wo die Zahl der Todesopfer unter unschuldigen Zivilisten einschließlich Kindern jede Stunde wächst."
Israel verteidigt sich
Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert wies in Jerusalem alle Kritik an dem Militäreinsatz zurück. "Niemand hat das Recht, Israel Moral zu predigen, weil es grundlegende Maßnahmen zur Verteidigung von hunderttausenden Bürgern vor andauerndem Beschuss ergreift", sagte Olmert. Israel habe keinerlei Absicht, den Kampf gegen den Terror auch nur eine Sekunde zu stoppen. Zur Aussetzung der Friedensgespräche durch die Palästinenser sagte Olmert: "Niemand in der ganzen Welt wird bestreiten, dass Angriffe auf Hamas die Chancen auf einen Frieden erhöhen."
Verteidigungsminister Ehud Barak drohte erneut mit einer Großoffensive. Ziel einer solchen Offensive sei es, die "Herrschaft von Hamas zu schwächen und sie unter den richtigen Umständen sogar zu stürzen", sagte Barak im Armeerundfunk. Das Sicherheitskabinett will am Mittwoch über das weitere Vorgehen beraten.
Die radikalislamische Hamas-Organisation, die seit Juni 2007 den Gazastreifen kontrolliert, rief zu einer dreitägigen Trauer und zu einem Generalstreik auf. In einer Erklärung warf Hamas Israel vor, einen "Vernichtungskrieg" gegen die Palästinenser zu führen. Hamas- Sprecher Taher Nunno rief den Weltsicherheitsrat und die Arabische Liga auf, jeden nur möglichen Druck auf Israel auszuüben, um die "Aggression" zu stoppen.
Gefährliche Raketen
Der jüngste Ausbruch der blutigen Gewalt hatte am Mittwoch begonnen. Israel tötete fünf Hamas-Kämpfer. Diese hatten nach israelischer Darstellung Angriffe in Israel geplant. Die Hamas reagierte mit einem heftigen Beschuss israelischer Grenzstädte.
Militante Palästinenser feuerten dabei auch sogenannte Grad- Raketen ab, die eine längere Reichweite als die selbst gebauten Kassam-Raketen haben. Nach israelischen Angaben sind durch diese Raketen weitere 120.000 Menschen im Grenzbereich zum Gazastreifen bedroht worden. Nach israelischen Presseberichten sollen Hamas- Kämpfer die knapp drei Meter langen Raketen in den Gazastreifen geschmuggelt haben, nachdem sie am 23. Januar gewaltsam die Grenze zu Ägypten geöffnet hatten.
Quelle: ntv.de