"Ein Stück weit Gerechtigkeit" "Ghetto-Renten" bestätigt
03.06.2009, 13:52 UhrDas Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel hat nun endgültig den Weg für eine großzügige Anerkennung von Ghetto-Arbeit bei der Rentenversicherung freigemacht.
Der 5. BSG-Senat schloss sich am Mittwoch der entsprechenden Rechtsprechung des 13. Senats vom Vortag an. Danach können die meisten der bisher 70.000 Antragsteller Rentenzahlungen beanspruchen (Az: B 5 R 26/08 R und 66/08 R). Die Kosten werden auf gut eine Milliarde Euro geschätzt.
Nach dem Ghetto-Renten-Gesetz aus dem Jahr 2002 können Juden Beitragszeiten zur Rentenversicherung geltend machen, die unter deutscher NS-Besatzung in einem Ghetto gearbeitet haben. Voraussetzung ist, dass sie "aus eigenem Willensentschluss" und "gegen Entgelt" tätig waren. Dadurch sollte die Ghetto-Arbeit von der gesondert entschädigten Zwangsarbeit abgegrenzt werden.
90 Prozent der Anträge abgelehnt
Die Rententräger hatten die Voraussetzungen jedoch meist als nicht erfüllt angesehen und über 90 Prozent der Anträge abgelehnt. Vor dem BSG machten sie nun erneut geltend, die Gewährung von Nahrung und Unterhalt in den polnischen Ghettos Drohiczyn und Tomaszow Maszowiecki könne nicht als "Entgelt" angesehen werden.
Nach der nun einheitlichen Rechtsprechung beider Rentensenate des BSG gilt aber auch eine Bezahlung mit Lebensmitteln oder Lebensmittelkarten als "Entgelt", auf die Menge kommt es nicht an. Unerheblich sei auch, ob der Lohn direkt an den Arbeitnehmer selbst oder über den in mehreren Ghettos gebildeten "Judenrat" ausgezahlt wurde. Auch eine Arbeitspflicht im Ghetto steht den Rentenzahlungen nicht entgegen, sofern nicht eine bestimmte Stelle zugewiesen wurde.
Zur Begründung erklärte der 5. Senat, eine enge Anwendung der Maßstäbe des deutschen Rentenrechts werde "den tatsächlichen Lebensverhältnissen in den Ghettos nicht gerecht" und sei vom Gesetzgeber wohl auch nicht gewollt.
Urteil begrüßt
Die jüdische Claims Conference hatte bereits am Dienstag die neue Rechtsprechung begrüßt. Die Kasseler Urteile entsprächen "dem Geist des Gesetzes und verschaffen vielen Holocaust-Überlebenden ein Stück weit Gerechtigkeit", erklärte die Claims Conference in Frankfurt am Main.
Quelle: ntv.de, AFP