Schluss mit der Gießkanne Glos will Aufbau Ost neu ordnen
07.04.2007, 20:16 UhrWirtschaftsminister Michael Glos hat grundlegende Änderungen bei der Förderung der neuen Länder gefordert und damit Protest bei Aufbau-Ost-Minister Wolfgang Tiefensee ausgelöst. "Wir müssen über den Aufbau Ost neu nachdenken. Es kann hier nicht weiter Geld nach dem Gießkannen-Prinzip fließen. In Zukunft geht es nicht mehr nach der Himmelsrichtung, sondern nach Bedarf", sagte Glos der "Bild am Sonntag". Als Beispiel nannte er die Kinderbetreuung. "Bei Krippenplätzen sei ein Aufbau West nötig, weil hier der Osten ungleich besser ausgestattet sei.
Tiefensee reagierte umgehend: "Sollte der Kollege Glos mit seinen Äußerungen den Solidarpakt meinen, so weise ich das entschieden zurück." Zu seriöser Politik gehöre es, dass Verträge eingehalten würden. Die neuen Länder seien - abgesehen von wenigen Regionen - von einem selbsttragenden Aufschwung weit entfernt, sagte der SPD-Politiker.
Die Debatte über eine Neuausrichtung der Ost-Förderung dauert schon seit Jahren. Neue Nahrung erhielt die Diskussion durch die Verhandlungen über die Änderungen der föderalen Finanzbeziehungen aller staatlichen Ebenen. Im Gespräch ist ein früheres Auslaufen des Solidarpaktes II, der eigentlich bis Ende des nächsten Jahrzehnts festgezurrt ist.
"Da muss man gegensteuern"
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer wandte sich gegen Kürzungen: "Die guten wirtschaftlichen Ergebnisse einiger Regionen zeigen, dass die Fördermittel sinnvoll eingesetzt wurden", sagte der CDU-Politiker dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". Dies widerlege auch die Einschätzung, der gesamte Osten sei ohne jede Chance auf wirtschaftliche Besserung.
Der Solidarpakt II dürfe nicht aufgeweicht werden, betonte Böhmer. "Es ist ja noch nicht so, dass das wirtschaftliche Niveau der Ostländer dem der Westländer entspräche." Ganze Regionen und Länder im Osten könnten nur weniger als 50 Prozent der eigenen Ausgaben selbst erwirtschaften. Angesichts der großen Unterschiede in der Entwicklung drohe eine Zweiteilung Ostdeutschlands. "Da muss man gegensteuern."
Schäden der Planwirtschaft
Auch der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Ulrich Blum, sprach sich gegen Kürzungen aus. "Werften, Küstenregionen und Zechen im Westen haben pro Kopf der Begünstigten in den vergangenen Jahrzehnten mehr Subventionen bekommen als der Osten je erhalten wird", sagte er. "Und es wird noch immer gezahlt."
West-Politiker sollten nicht vergessen, wie viel Geld nach dem Krieg in schwächere Regionen der Bundesrepublik geflossen sei, erinnerte Blum. "Viele kennen das Ausmaß der Schäden gar nicht, das die Planwirtschaft flächendeckend angerichtet hat." Allerdings müssten die neuen Länder auch in den Wachstumskernen eine nachhaltige Entwicklung hinbekommen, die nicht von Subventionen abhängig sei. Sie sollten sich "von der Illusion verabschieden, jedes 200-Seelen-Dorf auf West-Niveau päppeln zu wollen. Das ist nicht zu bezahlen und ergibt wirtschaftlich keinen Sinn."
Quelle: ntv.de