"Perestroika ging zu schnell" Gorbatschow verteidigt Putin
14.10.2007, 17:11 UhrBeim "Petersburger Dialog" haben Deutschland und Russland in Wiesbaden nach Gemeinsamkeiten gesucht und Differenzen erörtert. Kanzlerin Angela Merkel betonte in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft die "strategische Partnerschaft" mit Russland: "Wir wollen gute Beziehungen auf allen Ebenen." In erster Linie nannte sie die Zusammenarbeit in der Wirtschaft, bei Wissenschaft und Technologie, aber auch bei Fragen des Rechtssystems und der Außenpolitik.
Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin wurden zu den zweitägigen deutsch-russischen Regierungskonsultationen in der hessischen Landeshauptstadt erwartet. Derweil trafen sich dort auch Politiker, Diplomaten, Wirtschaftsvertreter, Kulturmanager und Journalisten beider Länder.
Merkel kündigte an, sie werde mit Putin in Wiesbaden auch über internationale Probleme sprechen: "Dabei werden Themen wie der Umgang mit dem Iran und die Notwendigkeit neuer Sanktionen genauso auf der Tagesordnung stehen wie die Zukunft des Kosovo und die Lage auf dem Westbalkan." Die Grünen forderten Merkel auf, Putin vor einem Machterhalt gegen die russische Verfassung zu warnen.
Gorbatschow verteidigt Putins Politik
Vor dem Gipfeltreffen verteidigte Ex-Sowjetpräsident Michail Gorbatschow Putin gegen Kritik - der jetzige Staatschef führe die von ihm begonnenen Reformen fort. Seine eigene Politik der Umgestaltung ("Perestroika") sei für die russische Gesellschaft zu schnell gegangen, sagte Gorbatschow beim "Petersburger Dialog": "Putin hat die richtigen Schlussfolgerungen gezogen. (...) Putin hat einen sehr ordentlichen Job gemacht." Russland habe etwa die Hälfte des weiten Weges von einem totalitären System zu einem demokratischen Staat zurückgelegt.
Für den Abend war ein Abendessen Merkels und Putins in einem Restaurant im Rheingau vorgesehen. Auch die Berliner Kabinettsmitglieder trafen sich mit ihren russischen Fachkollegen. Die Konsultationen finden am Montag statt.
Der ihnen vorgeschaltete "Petersburger Dialog" hatte bereits am Samstag begonnen. Vorsitzende sind Gorbatschow und der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizire (CDU). Die Bundeskanzlerin betonte die Bedeutung dieses zivilgesellschaftlichen Gesprächsforums für die deutsch-russischen Beziehungen. Sie sprach auch vom Interesse Deutschlands an einer "offenen Medienlandschaft in unseren Ländern". Gorbatschow wies Kritik am Umgang des Kremls mit den Medien zurück: "Genau wie Putin bin ich der Meinung, dass die Presse frei und verantwortlich sein muss."
Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck spach von gravierenden Rückschritten "für die Demokratie in Russland". Er verwies auf Pläne Putins, nach der Dumawahlen am 2. Dezember ins Amt des Ministerpräsidenten zu wechseln. Ergebnis könne sein, dass Putin nach wenigen Monaten wieder zum Präsidenten aufrücke, sagte Beck. Würde die russische Verfassung korrekt ausgelegt, müsste jedoch zwischen einer erneuten Amtszeit eine volle Amtsperiode eines anderen gewählten Präsidenten liegen.
Quelle: ntv.de