Politik

Deutschland will Banken um Beitrag bitten Griechen erwartet dramatischer Sparkurs

Protest gegen Sparzwang: Demonstranten vor dem Finanzministeriun in Athen.

Protest gegen Sparzwang: Demonstranten vor dem Finanzministeriun in Athen.

(Foto: dpa)

In Athen kommt es zu Protesten gegen den drastischen Sparkurs der griechischen Regierung. Auf Druck von EU und IWF müssen die Ausgaben massiv gekürzt werden, bei Gehältern und Renten soll es Einschnitte geben. Deutschland ringt sich derweil zu schnellen Hilfen für Griechenland durch und will auch die Banken daran beteiligen.

Die Griechen müssen sich im Kampf gegen eine Staatspleite auf drakonische Einschnitte und einen drastischen Sparkurs einstellen. Zu den Auflagen für das Milliarden-Hilfspaket gehören unter anderem Gehaltskürzungen, Einschnitte beim öffentlichen Dienst und für Rentner sowie eine erneute Anhebung der Mehrwertsteuer.

Der Notfallplan für Athen, der auf Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Euro-Partner von mehr als 120 Milliarden Euro in drei Jahren hinauslaufen könnte, soll bis spätestens Sonntag festgezurrt werden. Die Verhandlungen in Athen kommen nach Einschätzung der EU-Kommission gut voran. Auch EZB-Präsident Jean-Claude Trichet rechnet mit einem Erfolg der Anstrengungen. Die deutschen Milliarden-Kredite könnten dann Ende nächster Woche endgültig stehen. Die Verabschiedung im Bundestag scheint gesichert: SPD, Grünen und Linke kündigten ihre Zustimmung für ein Eilverfahren an.

Die Aussicht, dass es im lange Zeit zögerlichen Deutschland nun zu einer schnellen Entscheidung über Hilfen kommt, führte zu einer Erholung des Euro. Nach der der Opposition legte der Euro gegenüber dem Dollar kurzzeitig um 0,2 US-Cent auf 1,3280 Dollar zu. Risikoaufschläge bei zehnjährigen griechischen Anleihen gingen zurück, Kreditausfallversicherungen (CDS) verbilligten sich. Für Spanien, dessen Bonität am Mittwoch von der Rating-Agentur Standard and Poor's abgewertet worden war, erhöhten sich indes die Risikoaufschläge.

Banken sollen ins Boot

Die deutschen Banken könnten nun doch noch - auf freiwilliger Basis - zur Finanzierung des Rettungspakets herangezogen werden, verlautet aus der Bundesregierung. Umschuldungen, also einen Forderungsverzicht, lehnte sie bisher ab. Griechenland schuldet deutschen Banken insgesamt rund 43 Milliarden US-Dollar.

Wie aus Koalitionskreisen verlautete, will die Regierung am Wochenende mit Spitzenvertretern deutscher Banken über einen Beitrag verhandeln. Man wolle versuchen, die Banken mit ins Boot zu holen, um das Milliardenrisiko für die Steuerzahler besser rechtfertigen zu können. Am 9. Mai wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. Eine Mehrheit der Deutschen will nach einer Umfrage von Infratest dimap eine Beteiligung der Banken an der Hilfe für Griechenland.

In Athen sitzen zurzeit Experten von EU, IWF, EZB und Griechenlands am Tisch, um die Hilfen zu koordinieren. Die Euro-Länder wollen im ersten Jahr bis zu 30 Milliarden Euro schultern, der Internationale Währungsfonds (IWF) bis zu 15 Milliarden.

Lohnverzicht und Einstellungsstopp

Nach einem Treffen des griechischen Ministerpräsidenten, Giorgos Papandreou, mit Spitzen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zeichneten sich Einzelheiten des Sparpakets ab. Danach soll der 13. und 14. Monatsbezüge für Staatsbediensteten sowie Rentner gestrichen werden. Die Mehrwertsteuer soll von 21 auf möglicherweise 23 Prozent klettern - die zweite Anhebung seit Jahresbeginn. Auch die Steuern auf Tabak, Spirituosen und Kraftstoff sollen steigen.

Zu den Konditionen für das Hilfspaket von IWF, Europäischer Zentralbank (EZB) und EU soll auch gehören, dass im staatlichen Sektor die Gehälter für mindestens drei Jahre eingefroren werden. Das Gleiche sei für die Privatwirtschaft erwünscht. Der Einstellungsstopp im Staatsdienst soll für unbestimmte Zeit bestehen bleiben. Gewerkschaften kritisierten die "harten und bitteren Maßnahmen".

Dass an der Griechenlandhilfe kein Weg vorbeiführt, hat – nach anfänglichem Zögern – inzwischen auch Bundeskanzlerin Merkel eingesehen.

Dass an der Griechenlandhilfe kein Weg vorbeiführt, hat – nach anfänglichem Zögern – inzwischen auch Bundeskanzlerin Merkel eingesehen.

(Foto: REUTERS)

Experten befürchten wachsenden Widerstand in der Bevölkerung. Es bleibt deshalb ungewiss, ob sich die Athener Regierung durchsetzen kann. Durch die drastischen Sparmaßnahmen könnte die griechische Wirtschaft vollends abgewürgt werden. Die griechische Polizei musste am Abend bereits Tränengas einsetzen, um dutzende demonstrierende Lehrer am Sturm auf das Finanzministerium im Zentrum Athens zu hindern. Die Lehrer, die linken Organisationen und Parteien angehören, protestierten gegen die Sparmaßnahmen der Regierung. Anschließend kam es erneut zu Krawallen vor dem Parlamentsgebäude. Etwa 50 Vermummte warfen Steine auf die Polizei, wie Reporter vor Ort berichteten. Die Beamten setzten Schlagstöcke ein, um die Randalierer auseinander zu treiben

Köhler knöpft sich Spekulanten vor

Kanzlerin Angela Merkel Merkel betonte jedoch: Für die Finanzhilfen sei ein nachhaltiges und "schonungsloses Programm" vonnöten. Es gebe keine Alternative für diesen Weg. Sie hatte ihre Bereitschaft zu schnelle Hilfen bekräftigt, sobald ein glaubwürdiges Sparprogramm vereinbart sei. Griechenland müsse seine Haushaltsführung grundlegend ändern, sagte sie bei einer Wahlkampf-Veranstaltung im nordrhein-westfälischen Siegen. Sie sei nicht bereit, "ein halbes Auge zuzudrücken". "Das hat man bei Griechenland gemacht, als sie in den Euro-Raum gekommen sind und Jahre später holt einen das Problem ein."

Derweil attackierte Bundespräsident Horst Köhler angesichts wachsender Turbulenzen die Finanzjongleure an den Märkten, die Profit aus der Griechenland-Krise schlagen. Am Pranger stehen vor allem Rating-Agenturen, die zuvor die Kreditwürdigkeit von Griechenland, Portugal und Spanien herabstuften und damit neue Ängste auslösten. FDP-Chef Guido Westerwelle plädierte für eine eigene unabhängige europäische Rating-Agentur, wie sie bereits im schwarz-gelben Koalitionsvertrag gefordert wird.

"Wir müssen diesen Weg gehen"

Der Gesamtumfang der Notkredite für Griechenland bleibt aber weiter unklar. Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte in der ARD: "Die (Zahl) weiß niemand." Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hatte zuvor erklärt, Griechenland brauche insgesamt 135 Milliarden Euro bis 2012. Auf Deutschland könnten demnach 25 bis 30 Milliarden Euro zukommen. Bisher war lediglich erklärt worden, Griechenland brauche 45 Milliarden Euro für 2010.

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(Foto: dpa)

Schäuble warb eindringlich dafür, Griechenland unter der Auflage scharfer Sparmaßnahmen finanziell zu helfen. "Wir müssen diesen Weg gehen", sagte Schäuble. "Wenn das gelingt, wird es am Ende keine Steuergelder kosten", erklärte er. Schäuble räumte allerdings ein, dass Deutschland mit Hilfen für Griechenland ein Risiko eingehe. Ein griechischer Austritt aus der Euro-Zone wäre aber mit viel größeren und schwereren Konsequenzen verbunden, die auch negativ für Deutschland wären. Insofern sei der Weg, den man nun verfolge, alternativlos.

Deutschland handle mit seinem Vorgehen auch im eigenen Interesse, erklärte der Minister. Denn der Euro bringe Deutschland sehr große Vorteile. "Wenn wir die Stabilität unserer gemeinsamen Währung verteidigen, (...) nehmen wir unser wohlverstandenes eigenes Interesse in einem gemeinsamen Europa wahr", sagte er. Das Versprechen, dass der Euro mindestens so stabil wie die D-Mark sein soll, "haben wir eingelöst bis zum heutigen Tag."

Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts

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