Nach Wechsel bei der ÖVP Große Koalition rückt näher
30.09.2008, 17:25 UhrDer Wechsel an der Spitze der konservativen Volkspartei ÖVP hat eine Neuauflage der großen Koalition in Österreich nach der Schock-Wahl vom vorigen Sonntag wahrscheinlicher gemacht. Umweltminister Josef Pröll wurde bereits am Montagabend vom ÖVP-Parteivorstand in Wien als Nachfolger des glücklosen Parteichefs Wilhelm Molterer designiert.
Pröll war seit der Bildung der rot-schwarzen Koalition im Januar 2007 auch Koalitionskoordinator für seine Partei und hatte damit ständigen Kontakt zu dem inzwischen zum SPÖ-Chef ernannten Werner Faymann.
Unterdessen reichte die amtierende Koalitionsregierung von Kanzler Alfred Gusenbauer beim österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer ihren Rücktritt ein. Sie wird jedoch die Amtsgeschäfte bis zur Vereidigung eines neuen Kabinetts fortführen.
Dringende Probleme lösen
Faymann, dessen SPÖ am Sonntag trotz deutlicher Verluste mit knapp 30 Prozent noch stärkste Partei im Nationalrat wurde, bekräftigte seine Absicht, nach dem deutlichen Zugewinn für die zwei Rechtsparteien FPÖ und BZÖ "ausschließlich" mit der ÖVP über eine Koalition sprechen zu wollen. Wenn er den Auftrag zur Regierungsbildung habe, werde er sich "sehr ernsthaft darum bemühen". Faymann wird voraussichtlich an diesem Mittwoch den formellen Auftrag zur Regierungsbildung erhalten.
Inzwischen drängte der einflussreiche ÖVP-Landeshauptmann von Niederösterreich, Erwin Pröll, auf die rasche Bildung einer großen Koalition. Rot-Schwarz würde mit zusammen 55 Prozent im Nationalrat über eine sichere absolute Mehrheit, aber nicht mehr über die sogenannte Verfassungsmehrheit (66 Prozent) verfügen. Pröll, Onkel des neuen ÖVP-Chefs, begründete seine Forderung mit den auf Lösungen wartenden politischen Problemen in Österreich, wie die drohende Finanzkrise, sowie die Staats-, Steuer- und Gesundheitsreformen.
"Ich plädiere dafür, sehr rasch, innerhalb einiger Wochen eine neue Regierungskonstellation auf die Beine zu stellen, die dann hart und effizient und in gegenseitigem Respekt arbeitet und das aus dem Gedächtnis streicht, was sich in den letzten eineinhalb Jahren abgespielt hat", sagte Pröll der Tageszeitung "Kurier".
FPÖ sieht "keine Regierungsoption"
Als Konsequenz aus dem miserablen Abschneiden seiner Partei hatte ÖVP-Chef Molterer bereits am Montagabend während einer ÖVP-Vorstandssitzung in Wien das Handtuch geworfen und "den Sepp" als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Pröll gilt als moderner und liberaler als Molterer, außerdem lehnt er ein Zusammengehen mit der rechten FPÖ ab.
Im Gegensatz zu den eindeutigen Erklärungen der SPÖ zugunsten einer Neuauflage von Rot-Schwarz hielt sich der neue ÖVP-Vorsitzende in Hinblick auf mögliche Koalitionsverhandlungen bedeckt. Er betonte, er wolle sich alle Optionen offen halten. Auch der Gang in die Opposition sei für die ÖVP eine Möglichkeit.
Angesichts des Wechsels an der ÖVP-Spitze und der klaren Absichten von SPÖ-Chef Faymann sagte der Vorsitzende der rechten Freiheitlichen Partei FPÖ, er sehe für seine Partei "derzeit keine Regierungsoption". Zurzeit gebe es keine möglichen Partner, weil SPÖ und ÖVP Verhandlungen mit der FPÖ ausschließen würden.
Quelle: ntv.de