Streit um Stuttgart 21 eskaliert Grube droht Grün-Rot mit Klage
15.06.2011, 19:43 Uhr
Die Bahn schafft Fakten: Die Vorarbeiten in Stuttgart sind wieder aufgenommen.
(Foto: REUTERS)
Der Streit um Stuttgart 21 wird schärfer: Bahnchef Grube wirft der grün-roten Landesregierung Täuschung der Wähler vor und droht indirekt mit Klage. Der grüne Verkehrsminister Hermann beschuldigt seinerseits die Bahn, die Kosten nicht transparent zu machen. Wie es mit dem Projekt weitergeht, werden die Ergebnisse des Stresstests Mitte Juli zeigen.
Mit der Wiederaufnahme der Bauarbeiten für Stuttgart 21 gewinnt auch der Streit um das Bahnprojekt an Schärfe: Bahnchef Rüdiger Grube hat der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg indirekt mit einer Klage gedroht. Bund, Land, Stadt Stuttgart und Bahn hätten sich der Projektförderung verpflichtet, sagte Grube. Er warf den regierenden Grünen vor, sie hätten die Wähler getäuscht. "Wenn jemand dieser Pflicht zur Förderung des Projektes nicht nachkommt, den muss ich dann verklagen", fügte Grube mit Blick auf Verzögerungen durch andauernde Proteste und einen möglichen Volksentscheid im Herbst hinzu.
Grube sagte am Dienstagabend bei einer Veranstaltung in Hamburg, den Grünen in Baden-Württemberg sei vor der Landtagswahl bekannt gewesen, dass sie nicht aus den vereinbarten Verträgen für den unterirdischen Bahnhof herauskämen. "Alles andere, was sie gemacht haben, ist Volksverdummung und ist Wählerfängerei. Man hat nicht ehrlich mit den Wählern gesprochen", kritisierte Grube.
Regierung schießt zurück

Kontrahenten, zu Partnerschaft verpflichtet: Verkehrsminister Hermann und Bahnchef Grube.
(Foto: dpa)
Landes-Verkehrsminister Winfried Hermann kritisierte seinerseits Grubes Äußerungen als "unangemessen". Die Bahn solle es unterlassen, der Politik Täuschung vorzuhalten, da sie bis heute nicht für Klarheit über die tatsächliche Entwicklung der Kosten für den Großbahnhof gesorgt habe. "Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen", erklärte Hermann. Frühere Schätzungen habe die Bahn immer wieder nach oben korrigieren müssen. "Es kann nicht sein, dass man zwischen drei öffentlichen Partnern stur an Verträgen festhält, wenn die Kosten für ein Großprojekt ins Uferlose steigen." Für solche Fälle müsse es Ausstiegsmöglichkeiten geben.
Das Aktionsbündnis gegen das Bahnprojekt kündigte an, die Proteste in den nächsten Wochen zu verschärfen. Sollten die Bagger in diesem Sommer an den Südflügel des Hauptbahnhofs und die großen Bäume im Schlossgarten gehen, sei mit ähnlichen Demonstrationen wie im Herbst 2010 zu rechnen, sagte der Co-Sprecher des Bündnisses, Hannes Rockenbauch, in Stuttgart. Mit den am Dienstag wiederaufgenommenen Bauarbeiten rings um den Bahnhof riskiere die Bahn, das Vertrauen zu verspielen und den sozialen Frieden in der baden-württembergischen Landeshauptstadt zu verspielen. Für 9. Juli ist eine weitere Großdemonstration geplant.
Bauarbeiten gehen weiter
Die Bahn kündigte an, in Stuttgart ein 17 Kilometer langes Rohrleitungssystem zur Grundwasserbehandlung aufzubauen. Schon nächste Woche wolle man damit beginnen. Die Hauptarbeiten sollen aber erst nach der Vorstellung des Belastungstests anrollen lassen. "Die ersten Baumaßnahmen am Technikgebäude beginnen erst am 18. Juli", kündigte Projektsprecher Wolfgang Dietrich in Stuttgart. Davor stünden lediglich Vorbereitungsarbeiten. Im Bereich des ehemaligen Nordflügels werde nach Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg gesucht.
Die Bahn und die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg hatten sich Ende vergangener Woche nicht darauf einigen können, die Bauarbeiten bis Mitte Juli weiter ruhen zu lassen. Dann soll das Ergebnis des mit Hilfe des Schlichters Heiner Geißler vereinbarten Belastungstests für den Bahnhof vorgelegt werden. Damit soll simuliert werden, ob der neue Bahnhof in der Spitzenstunde 30 Prozent mehr Züge abfertigen kann als der bisherige Kopfbahnhof. Für einen Aufschub der Arbeiten hatte die Bahn 56 Millionen Euro pro Monat verlangt, die die Landesregierung nicht zahlen will.
Bahnchef Grube will die Ergebnisse des Stresstests am 11. Juli den Projektpartnern "vertraulich" übergeben. Am 14. Juli kommt es zur öffentlichen Präsentation, via TV: Die Ergebnisse sollen "unter der Moderation von Dr. Heiner Geißler" wieder wie schon bei der Schlichtung zuvor erörtert und im Fernsehen übertragen werden, berichtete das "Handelsblatt".
Limit von 4,5 Milliarden Euro
Der bisherige Kopfbahnhof in Stuttgart soll in eine unterirdische Durchgangsstation umgewandelt und an die geplante ICE-Neubaustrecke nach Ulm angeschlossen werden. Nach einem mehr als zweimonatigen Bau- und Vergabestopp hatte die Bahn die Arbeiten am Dienstag wieder aufgenommen.
Die Grünen unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann lehnen das Projekt grundsätzlich ab. Ihr Regierungspartner SPD befürwortet es dagegen. Die grün-rote Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag das Kostenlimit von 4,5 Milliarden Euro festgeschrieben. Die Entscheidung soll eine Volksabstimmung im Oktober bringen. Bis zum 15. Juli muss die Bahn nach eigenen Angaben aus Fristgründen bereits ausgeschriebene Aufträge für Tunnelstrecken in Höhe von 750 Millionen Euro vergeben.
Quelle: ntv.de, rts/dpa