Politik

"Günstiger Online-Wahlkampf" Grüner Igel hofft auf Heimvorteil

Die Grünen mit neuem Gesicht im Online-Wahlkampf.

Die Grünen mit neuem Gesicht im Online-Wahlkampf.

Die Grünen fühlen sich als Partei des Internets. "Es ist ein bisschen wie bei Hase und Igel: Während die anderen Parteien ins Netz rennen sind die Grünen schon da", sagt Renate Künast. Und um zu zeigen, dass auch die Grünen-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl sich im Internet wie zuhause fühlen und das Medium ernst nehmen, stellt Künast zusammen mit Jürgen Trittin und Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke den Online-Wahlkampf der Partei persönlich vor.

Nach einer Erhebung der Grünen hat die Partei auch allen Grund, das Medium ernst zu nehmen: 82 Prozent ihrer Wähler besitzen der Umfrage zufolge einen Internetanschluss, 74 Prozent gehen mindestens einmal in der Woche online und etwa 30 Prozent bewegen sich in sozialen Netzwerken im Internet. So tummeln sich nach Parteiangaben allein auf der Community-Plattform Facebook 1460 Mitglieder, beim Live-Blogging-Dienst Twitter folgen mehr als 2500 Nutzer den Grünen.

Deshalb stehen Künast und Trittin nun also in der Turnhalle des alten Postfuhramts in Berlin-Mitte zwischen großformatigen Landschaftsaufnahmen der Fotografin Annie Leibovitz und präsentieren den neuen Internetauftritt der Grünen, der aus den Internetaktivitäten der Parteimitglieder eine schlagkräftige Kampagne formen soll. "Wir haben den Ort gewählt, weil wir die besondere Bedeutung des Internetwahlkampfes würdigen wollten", sagt Trittin zu Beginn. Was allerdings schwarz-weiße Landschaftsaufnahmen aus den USA mit den Grünen zu tun haben sollen, erklärt er nicht.

Der "Grüne Kanal"

Spitzenkandidat Trittin eröffnet die Vorstellung der Online-Kampagne mit einer kurzen Power-Point-Präsentation, in der er die verschiedenen Aktivitäten im Netz vorstellt und schließlich zum neuen Internetauftritt kommt, die alles in wenigen Klicks erfahrbar machen soll. Ganz im Trend der Zeit setzen die Grünen auf eine optisch überholte Seite, die den etwas altbacken wirkenden Internetauftritt ersetzt und alle Aktivitäten im Netz bündelt: Der "Grüne Kanal" auf der Videoplattform Youtube, die neuesten Statements bei Twitter und der direkte Link zur Kampagnenplattform der Grünen zieren die Startseite. Zudem ist wie bei allen anderen Parteien auch ein Spendenaufruf prominent platziert ? seit Barack Obamas Kampagnenerfolg offenbar unverzichtbar.

Doch die Grünen wollen sich im Gegensatz zu anderen Parteien nicht auf das US-amerikanische Vorbild, sonder auf die eigene Tradition berufen. Das Mitmachweb sei die konsequente Fortsetzung der offenen Diskussionskultur der Partei. Nur dass sich Parteimitglieder und Interessierte nun über Kommentare auf der Internetseite oder Initiativen auf der Kampagnenplattform einbringen können. "Das ist nicht wirklich 'was neues", meint Trittin daher mit Blick auf die Mitmachmöglichkeiten im Grünen-Netz.

Die Partei bietet etwa an, die Beiträge auf der Homepage und das Parteiprogramm zu kommentieren. Außerdem können auf der Kampagnenplattform eigene Projekte gestartet werden, und unter "Feindbeobachtung" können Fehler und Widersprüche des politischen Gegners in Wort und Bild dokumentiert werden. Verunglimpfende Fotos, etwa von drogenkonsumierenden Politikern anderer Parteien, seien damit aber nicht gemeint, stellt Trittin klar.

"Günstig" an Wähler kommen

Einen wichtigen Vorteil des Online-Wahlkampfes für die Grünen sieht der Spitzenkandidat bei den Kosten: "Im Internet ist es möglich, zu relativ günstigen Preisen die Wähler zu erreichen", sagt Trittin. Das Wahlkampfbudget der Grünen sei mit etwa fünf Millionen Euro eher klein, deshalb sei der Online-Wahlkampf "gut für die Grünen". Geschäftsführerin Lemke betont aber, dass der Wahlkampf online nicht billiger als offline sei. So beschäftigen die Grünen eine eigene Redaktion für die Kampagne im Netz, die auch nach Tarif bezahlt werde.

Auf Kosten von Offline

Was für Aktionen im Netz mehr ausgegeben wird, muss woanders auch abgezogen werden, gibt Lemke zu. In welchen klassischen Wahlkampfbereichen eingespart wird, verrät sie aber nicht. Allerdings will sie die Kreisverbände bei der einen oder anderen Aktion stärker zur Kasse bitten. Zudem haben sich die Grünen ein zusätzliches Werbeinstrument ausgedacht, das kostengünstigen Wahlkampf ermöglichen soll: Auf der Homepage kann jeder Unterstützer der Partei ein großflächiges Werbeplakat bestellen, dass die Grünen mitfinanzieren wollen.

Lemke erwartet, mit der Internetkampagne mehrere zehntausend Unterstützer zu gewinnen. Neben den zahlreichen aktiven Mitgliedern im Netz haben die Grünen dabei sicher einen kleinen inhaltlichen "Heimvorteil": Durch Kampagnen zum Datenschutz oder gegen die Vorratsdatenspeicherung besetzt die Partei immer wieder Themenfelder, die auch der im Internet bloggenden und netzwerkelnden Wählerschaft eine Herzensangelegenheit sind. Um diese nicht zu verprellen und ihren eigenen Forderungen Glaubwürdigkeit zu verleihen, sind deshalb laut Lemke alle Datenangaben auf der Homepage freiwillig und können auf Wunsch vollständig zurückgeholt werden. Bei der Nutzung von Youtube allerdings nicht.

Quelle: ntv.de

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