Politik

Heiner Bremer im Interview "Grüner Mitte-Kurs bedroht die SPD"

Schwarz und Grün nehmen Rot in die Zange.

Schwarz und Grün nehmen Rot in die Zange.

(Foto: dpa)

Die SPD sollte den Mut haben, in ernsthafte Koalitionsverhandlungen mit der Union einzutreten, sagt n-tv Chefkommentator Heiner Bremer. Auf mittlere Sicht sieht er jedoch ein existenzielles Problem auf die Sozialdemokraten zukommen. Nicht Kanzlerin Merkel bedroht sie, sondern die Grünen.

n-tv.de: Was wäre aus Sicht der SPD jetzt am sinnvollsten - die Große Koalition oder der Gang in die Opposition?

Heiner Bremer ist Chefkommentator von n-tv.

Heiner Bremer ist Chefkommentator von n-tv.

Heiner Bremer: Die SPD sollte sondieren, was mit der CDU möglich ist. Sie sollte auch den Mut haben, in ernsthafte Koalitionsverhandlungen einzutreten. Denn die Alternativen sind nicht sehr beglückend: Verweigert sich die SPD, wird es am Ende doch Schwarz-Grün geben, oder aber die Kanzlerin wird schnell Neuwahlen anstreben. Das wäre für die SPD wahrscheinlich tödlich. Sie würde mit einiger Sicherheit vom Wähler abgestraft werden und bei 20 Prozent oder noch darunter landen.

Warum würde die SPD bei Neuwahlen abgestraft?

Die Mehrzahl der Wähler würde die SPD dafür verantwortlich machen, dass sie schon wieder zur Wahl gehen müssen. Denn die meisten Wähler hoffen ja ohnehin auf eine Große Koalition und sehen die Parteien in der Pflicht, sich zu einigen. In jedem Fall würden Neuwahlen dazu führen, dass FDP und AfD in den Bundestag kommen. Für die SPD stellt sich dann möglicherweise schon wieder die Frage nach einer Großen Koalition. Sie hätte also nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren.

Und wenn es zu einer schwarz-grünen Koalition käme?

Dann verliert die SPD ihren strategischen Partner. Auch unabhängig von einer schwarz-grünen Koalition ist es für die SPD sehr gefährlich, wenn die Grünen jetzt den Linkskurs, mit dem sie in diesem Wahlkampf gescheitert sind, beenden. Wenn die Grünen sich mit einem verträglicheren Programm zur Mitte hin orientieren, würde diese von zwei Parteien dominiert: von einer sehr breit aufgestellten CDU und von den Grünen. In der Mitte wäre für die SPD dann kaum noch Platz.

Warum sollten sich die Grünen zur Mitte orientieren?

Den Grünen geht gerade auf, dass dieses sehr nach links gedrehte Programm der Steuererhöhung bei ihren Wählern nicht ankommt. Sie haben in den letzten Wahlen über ihre Stammwählerschaft hinaus immer auch Wähler angesprochen, die aus dem Bürgertum kommen, die umweltbewusst sind und auch leicht links neigen, die aber nicht bereit sind, über Gebühr Belastungen hinzunehmen. Daraus die richtige Konsequenz zu ziehen, heißt, sich zurück zu orientieren: zur Partei des Klimaschutzes, des Umweltschutzes, des Ausgleichs zwischen Familie und Beruf. Das sind populäre Positionen, die auch im Bürgertum vertreten werden. Damit würden die Grünen einen Platz besetzen, den die FDP bislang ein bisschen innehatte, auch die alte SPD. Die Sozialdemokraten gerieten damit unter Druck, noch weiter nach links zu rücken, zur Konkurrenz, der Linkspartei. Dort gibt es für die SPD allerdings keine Mehrheiten mehr.

Wäre es für die Grünen sinnvoll, schon jetzt Schwarz-Grün anzustreben?

Das erste Ziel der Grünen muss sein, sich neu zu orientieren, um wieder attraktiv für Mitte-Wähler zu werden. Ob sie jetzt schon die Kraft haben, mit in die Regierung zu gehen, wage ich zu bezweifeln. Zumal sie ja mit einer völlig neuen und in Regierungsgeschäften unerfahrenen Mannschaft ins Rennen gehen. Bei Leuten, die den Grünen das jetzt empfehlen, habe ich das Gefühl, dass es denen nur darum geht, dass Frau Merkel mit schwachen Grünen durchregieren kann. Das kann nicht im Interesse der Grünen sein. Aber für die nächste Bundestagswahl ist es mit Sicherheit eine ernstzunehmende Perspektive.

Zur FDP: Ist der Christian Lindner der richtige Mann für den Wiederaufbau der Liberalen?

Offenkundig ist er im Augenblick der Einzige, der sich dieser Aufgabe stellt und dem einige zutrauen, dass er die Partei reanimieren kann. Die zentrale Frage richtet sich aber nicht an eine einzelne Person, sondern an die FDP insgesamt: Sie muss erklären, wozu man sie heute noch braucht. Ist liberale Politik in Zeiten der Globalisierung reine Marktwirtschaft? Oder ist es nicht doch der der Versuch, zwischen sozialer Marktwirtschaft und gesellschaftlichen Notwendigkeiten, auch der Gerechtigkeit, einen sinnvollen Ausgleich zu finden. Eine solche Debatte hat die FDP seit Jahren nicht mehr geführt, sie war eine reine Klientel- und Lobby-Partei. Wenn sie wieder erfolgreich sein will, muss die FDP ein neues, klares Profil bekommen, damit die Wähler das Gefühl haben: Ohne die FDP ist die Politik in Deutschland ärmer. Im Augenblick sagt der Wähler: Die FDP brauchen wir nicht.

Mit Heiner Bremer sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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