Politik

Pläne für "grüne" Atomenergie Habeck wirft der EU Greenwashing vor

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Atomkraftwerke produzieren hochgefährlichen Müll und können verheerende Umweltkatastrophen verursachen. Die EU-Kommission hält Kernkraft dennoch in bestimmten Fällen für eine "grüne" Zukunftstechnologie. Vizekanzler Habeck und Bundesumweltministerin Lemke stemmen sich gegen diesen Plan.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist gegen den Plan der EU-Kommission, Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen. "Die Vorschläge der EU-Kommission verwässern das gute Label für Nachhaltigkeit", sagte Habeck in Berlin. "Es hätte aus unserer Sicht diese Ergänzung der Taxonomie-Regeln nicht gebraucht. Eine Zustimmung zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht", so der Wirtschafts- und Klimaschutzminister.

Der Brüsseler Vorstoß sieht vor, dass Investitionen in neue AKW als grün oder nachhaltig eingestuft werden können, wenn die Anlagen neusten technischen Standards entsprechen. Außerdem müssen die Betreiber einen Plan vorlegen, wie sie ab spätestens 2050 die hoch radioaktiven Abfälle entsorgen wollen.

Die Pläne der EU-Kommission gehen aus einem Entwurf für einen Rechtsakt hervor, der am Neujahrstag kurz nach dem Versand an die EU-Mitgliedstaaten öffentlich wurde.

"Das ist mehr als bedenklich"

"Ausgerechnet Atomenergie als nachhaltig zu etikettieren, ist bei dieser Hochrisikotechnologie falsch", kritisierte Habeck, der auch Deutschlands neuer Klimaschutzminister ist, den Entwurf. Dies verstelle den Blick auf die langfristigen Auswirkungen des Atommülls für Mensch und Umwelt. Harte Sicherheitskriterien seien zudem nicht vorgesehen.

Was ist die Klima-Taxonomie der EU?

Die Taxonomie ist eine Art Regelwerk, das festlegt, welche Projekte und Unternehmen in der EU als "grün" oder "nachhaltig" gelten und gefördert werden können. Nach Angaben der EU-Kommission will sie damit den Umbau zu einem klimaneutralen Finanzwesen und einer zukunftsfähigen Wirtschaft vorantreiben. Durch Offenlegungspflichten für Unternehmen und Finanzmarktteilnehmer sollen unter anderem auch Anleger feststellen können, welche Projekte und Investitionen "grün" sind.

"Das ist mehr als bedenklich", sagte der Grünen-Politiker weiter. "Es ist ohnehin fraglich, ob dieses Greenwashing überhaupt auf dem Finanzmarkt Akzeptanz findet." Die Bundesregierung werde mögliche Auswirkungen des Kommissionsentwurfs bewerten.

Ähnlich wie Habeck äußerte sich auch seine Parteikollegin und neue Bundesumweltministerin Steffi Lemke. "Ich halte es für absolut falsch, dass die Europäische Kommission beabsichtigt, Atomkraft in die EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten aufzunehmen", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Eine Energieform, die einerseits zu verheerenden Umweltkatastrophen führen kann - im Falle schwerwiegender Reaktorunfälle - und andererseits große Mengen an gefährlichen hoch radioaktiven Abfällen hinterlässt, kann nicht nachhaltig sein."

Die damalige Bundesregierung hatte den Ausstieg aus der Kernenergie 2011 nach dem Atomunglück im japanischen Fukushima besiegelt. Neuerdings äußern sich allerdings wieder mehr Befürworter der Kernenergie, weil dadurch anders als bei der Stromproduktion etwa aus Kohle deutlich weniger klimaschädliches Kohlendioxid entstehe. Experten sehen einen Weiterbetrieb oder neue Technologien wie kleine SMR-Reaktoren aufgrund fehlender Konzepte und hoher Baukosten allerdings kritisch.

"Nachhaltiges" Erdgas

Habeck kritisierte auch, dass die EU-Kommission Erdgas in die Taxonomie aufnehmen möchte. "Immerhin macht die EU-Kommission hier aber sehr klar, dass Gas aus fossilen Brennstoffen nur ein Übergang ist und es durch grünen Wasserstoff ersetzt werden muss", erklärte er. So müssten neue Gaskraftwerke schon jetzt auf Wasserstoff ausgerichtet werden und seien ab 2035 mit grünem Wasserstoff oder kohlenstoffarmem Gas zu betreiben. "Das ist ambitioniert und setzt große Mengen an Wasserstoff voraus." Es sei eine der großen Aufgaben, entsprechende Investitionen hin zum Wasserstoff anzureizen. Erste entsprechende Projekte seien in Deutschland auf dem Gleis.

Der Brüsseler Plan sieht vor, dass neue Erdgaskraftwerke als "Übergangstechnologie" das Nachhaltigkeitslabel erhalten können, wenn sie bestimmte CO2-Grenzwerte einhalten, eine umweltschädlichere Anlage ersetzen und bis zum 31. Dezember 2030 genehmigt werden.

DUH kritisiert Scholz

Am deutlichsten kritisierte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die Absichten der EU-Kommission. Damit würden "umweltschädliche Investitionen unter einem grünen Deckmantel ermöglicht", warnt die Organisation. Die EU-Mitgliedstaaten und das Europaparlament müssten sich klar gegen dieses Vorhaben positionieren.

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Die DUH attackierte wegen des Entwurfs Bundeskanzler Olaf Scholz. Dieser habe sich offenbar "für die Aufnahme von fossilem Gas in die Taxonomie eingesetzt und dafür im Gegenzug den französischen Wunsch nach Aufnahme der gefährlichen Atomkraft unterstützt".

Scholz riskiere "die klimapolitische Reputation der Bundesregierung", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Die EU-Kommission wiederum untergrabe mit dem Entwurf "die eigenen Klimaziele und den Green Deal insgesamt". Von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war bislang kein Kommentar zu erhalten. Sie will das neue Regelwerk im Laufe des Januars veröffentlichen.

Quelle: ntv.de, chr/dpa/AFP

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