Erstmals gegen Staatschef Haftbefehl gegen Baschir
04.03.2009, 15:48 UhrDer Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat einen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir ausgestellt. Grundlage dafür seien konkrete Vorwürfe von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in der sudanesischen Region Darfur in sieben Fällen, teilte das Gericht in Den Haag mit. Es ist das erste Mal, dass das IStGH einen Haftbefehl gegen einen amtierenden Staatschef ausstellt.
Dem Antrag des Chefanklägers Luis Moreno-Ocampo, den Präsidenten auch wegen Völkermordes zu belangen, folgte der Gerichtshof hingegen nicht. Dafür hätten die drei Ermittlungsrichter des IStGH im Antrag der Staatsanwaltschaft keine hinreichenden Beweise gefunden, sagte die Sprecherin des Haager Gerichts, Laurence Blairon.
An die Regierung des Sudans erging die Aufforderung, Al-Baschir an den Gerichtshof auszuliefern. Sollte sie dem nicht nachkommen, werde die Angelegenheit dem UN-Sicherheitsrat in New York übergeben.
Zur Begründung des Haftbefehls gegen Al-Baschir wird in sieben Fällen unter anderem auf dessen mutmaßliche persönliche Verantwortung für Morde, Vertreibungen, Folterungen und Vergewaltigungen in der Darfur-Region verwiesen. Zudem wird ihm die Verantwortung für gezielte militärische Angriffe auf die Zivilbevölkerung sowie für Plünderungen vorgeworfen.
"Niemand steht über dem Gesetz"
Amnesty International begrüßte die Ausstellung des Haftbefehls. Al-Baschir müsse sich nun "unverzüglich" dem Internationalen Strafgerichtshof stellen. Der Haftbefehl sei "ein einzigartiger Schritt für die internationale Strafgerichtsbarkeit", sagte Leonie von Braun, Expertin für internationale Strafgerichtsbarkeit von Amnesty International. "Die Botschaft an Darfur und an die Welt lautet: Wer schwerer Verbrechen dringend verdächtig ist, wird angeklagt, egal wie mächtig er oder sie ist. Niemand steht über dem Gesetz."
Dagegen befürchtet die Hilfsorganisation World Vision, dass nun "neue Gewaltausbrüche und eine Verschlechterung der humanitären Situation" im Sudan drohen. Auch die Verhandlungen zur Lösung des Darfur-Konflikts könnten ins Stocken geraten. Wir könnten Binnenflüchtlinge, die am Existenzminimum leben, nicht mehr ausreichend versorgen, wenn die Gewalt eskaliert", sagte Ekki Forberg von World Vision.
"Ocampo ist ein Esel"
In der Hauptstadt Khartum kam es zu ersten Solidaritätsbekundungen für Al-Baschir. Nach der Verkündung des Haftbefehls versammelten sich in Khartum Tausende von Anhängern des Präsidenten. Sie riefen "Gott ist groß" und "Mit unserer Seele und unserem Blut verteidigen wir dich, Al-Baschir". Auf ihren Transparenten stand: "Schande, Schande, Ocampo ist ein Esel".
Die sudanesische Regierung bezeichnete den Haftbefehl als "Neokolonialismus". Der Sprecher des Außenministeriums in Khartum, Jussif Ali, sagte, Al-Baschir werde trotz des Haftbefehls Ende März am Arabischen Gipfel in Katar teilnehmen. Er werde "zu allen Konferenzen reisen, zu denen man ihn einlädt, zum Beispiel seitens der Afrikanischen Union oder der Organisation der Islamischen Konferenz".
AU wollte Haftbefehl verhindern
Die Afrikanische Union (AU) und die Arabische Liga hatten den Sicherheitsrat gedrängt, einen Haftbefehl gegen Al-Baschir zu verhindern oder dessen Gültigkeit auszusetzen. Russland und China wären dazu nach Angaben von UN-Diplomaten bereit. Jedoch würden die drei anderen ständigen Ratsmitglieder - die USA, Frankreich und Großbritannien - dem nicht zustimmen.
"Ärzte ohne Grenzen" muss Darfur verlassen
Kurz vor der Ausstellung des Haftbefehls hatte die sudanesische Regierung die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" zum Rückzug aus Darfur aufgefordert. Internationale Mitarbeiter an mehreren Einsatzorten seien aufgefordert worden, die Region bis zu diesem Mittwoch zu verlassen, teilte die Organisation in Paris mit. Die Regierung habe Sicherheitsgründe im Zusammenhang mit der Anklage gegen Al-Baschir angeführt.
"Ärzte ohne Grenzen" äußerte sich besorgt über die weitere Versorgung der Bevölkerung. In einigen Gegenden sei die Organisation die einzige Anlaufstelle für medizinische Hilfe. Zudem seien in mehreren Flüchtlingslagern derzeit Fälle von Hirnhautentzündung bekanntgeworden. Die Organisation betonte, dass sie nicht mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammenarbeite und ihm keine Informationen zugetragen habe.
Erhöhte Wachsamkeit
Auch die internationalen Friedenstruppen im Sudan befürchten jetzt gewalttätige Ausschreitungen. Moreno-Ocampo warf Al-Baschir vor, er hetze seine Anhänger zu Krawallen auf. Friedenstruppen der UN und der Afrikanischen Union wurden zu erhöhter Wachsamkeit aufgefordert.
Seit Februar 2003 kämpfen in Darfur Rebellen gegen regierungstreue Reitermilizen und die sudanesischen Streitkräfte. 300.000 meist unbeteiligte Menschen starben nach Angaben der UNO bereits durch den Krieg und seine Folgen, mehr als zwei Millionen wurden in die Flucht getrieben. Al-Baschirs Regierung spricht hingegen von 10.000 Toten. Auf den Haftbefehl reagierten die Rebellen hocherfreut. Sie sprachen nach der Entscheidung von einem "großen Tag" für den Sudan und Darfur.
Quelle: ntv.de