Politik

Merkel im Nahen Osten: "Hamas muss sich ändern"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bei ihrem Besuch beim Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erneut deutlich gemacht, dass die finanzielle Unterstützung für die Palästinenser an einen eindeutigen Kurswechsel der Hamas gebunden ist. Die Kanzlerin nannte eine Anerkennung des Existenzrechts Israels und der bisherigen Abkommen sowie den Verzicht auf Gewalt als die drei Bedingungen, die die Hamas erfüllen müsse. Sie hoffe, dass dies schnell geschehe. "Es darf keine Zeit verloren gehen", sagte Merkel.

Ähnliche Bedingungen nannte auch das Quartett der Nahost-Vermittler aus Vertretern der Vereinten Nationen (UN), der Europäischen Union (EU), der USA und Russlands am Montag nach gemeinsamen Beratungen in London. Das Nahost-Quartett erwarte außerdem, dass sich die neue palästinensische Regierung an alle früheren Vereinbarungen wie den internationalen Friedensplan Road Map halte, sagte UN-Generalsekretär Kofi Annan. Wenn sich die radikal-islamische Hamas zu einer politischen Partei wandele, werde die internationale Gemeinschaft zur Zusammenarbeit bereit sein. Der Außenpolitik-Koordinator der EU, Javier Solana, erklärte, die Union sei bereit, die neue Palästinenser-Regierung zu unterstützen, wenn sie die Bedingungen der Nahost-Vermittler akzeptiere und sich daran halte.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas betonte während der Gespräche mit Merke, er wolle seine Politik einer friedlichen Lösung des Nahost-Konflikts auch nach dem Wahlsieg der radikal-islamischen Hamas fortsetzen. Abbas sagte Merkel in Ramallah: "Es gibt nichts, was mich hindert, die nächsten drei Jahre meiner Amtszeit fortzusetzen."

Auch die EU-Staaten forderten in Brüssel die radikal-islamische Hamas zu einem Gewaltverzicht und zur Anerkennung Israels auf. Von der Drohung, die Finanzhilfen andernfalls einzufrieren, sahen die EU-Außenminister am Montag in Brüssel aber ab. Zunächst will die EU die Regierungsbildung abwarten. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte aber, es gebe "keine Möglichkeit der Zusammenarbeit", wenn die Hamas der Gewalt nicht abschwöre.

Klare Worte kamen auch aus den USA: Die US-Regierung drohte der radikal-islamischen Hamas-Bewegung erneut mit einem vollständigen politischen und finanziellen Boykott, falls sie nicht Gewalt und Terror abschwören sollte. Die USA wollten mit einem Friedenspartner zusammenarbeiten und nicht mit einer Regierung, deren erklärtes Ziel die Zerstörung Israels sei, sagte US-Präsident George W. Bush in Washington.

Abbas plant Regierungsbildung

Abbas sagte, er werde nach dem Ablauf von Fristen nach der Wahl in etwa zwei Wochen Gespräche mit der Hamas über die Bildung einer Regierung aufnehmen. Die Parlamentswahl habe den Willen der Palästinenser zu einem demokratischen Staat Ausdruck verliehen. Er fühle sich dem Friedensprozess und dem Nahost-Friedensplan weiter verpflichtet, sagte Abbas. Ziel sei es, einen palästinensischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt zu gründen.

Nach Informationen eines Hamas-Vertreters plane Abbas ein Treffen mit dem Chef der siegreichen Islamisten-Gruppe, Chaled Meschaal. Abbas werde mit Meschaal über die künftigen Beziehungen zwischen dem Präsidenten und der Regierung sprechen, sagte der Hamas-Vertreter. Zum Termin und Ort des geplanten Treffens äußerte er sich nicht. Der israelische Sender "Channel 10" berichtete, beide wollten sich in den kommenden zwei Tagen in Kairo treffen. Auch ein Abbas nahe stehender Palästinenser-Vertreter bestätigte die Pläne für ein Treffen.

"Geld für Gehälter"

Die radikal-islamische Hamas hatte die internationale Gemeinschaft gebeten, die Unterstützung für die palästinensische Autonomiebehörde trotz des Ausgangs der Parlamentswahlen nicht zu beenden. "Wir rufen Sie auf, alle Hilfe an das palästinensische Finanzministerium zu transferieren", sagte Ismail Hania, ein Hamas-Führer in Gaza.

Befürchtungen, die Hamas könne nach ihrem Wahlsieg die finanzielle Unterstützung künftig für den bewaffneten Kampf gegen Israel nutzen, trat Hania entgegen: Das gesamte Geld werde "für Gehälter, das tägliche Leben und die Infrastruktur verwendet", versicherte er. Ohne Hilfe aus dem Ausland stünde die Autonomiebehörde vor der Zahlungsunfähigkeit. Die EU und die USA stufen die Hamas als Terrororganisation ein.

Kein deutsches Geld für Terroristen

Am Sonntag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Gespräch mit dem amtierenden israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert gesagt, es sei "undenkbar", dass deutsches Geld eine Autonomiebehörde finanziell unterstütze, die auf Terror setze, Israels Existenzrecht nicht anerkenne und schon erreichte Verträge beim Friedensprozess ablehne. "Die Hamas ist bei der EU als Terrororganisation gelistet", betonte Merkel.

Israel will offenbar eine Eskalation vermeiden. Der Nahost-Friedensplan müsse unbedingt eingehalten werden, sagte der israelische Präsidenten Mosche Katzav bei einem Gespräch mit Merkel. Er rief Abbas auf, dies sicherzustellen. "Ich glaube, er hat die Macht und den Einfluss, die Interessen des palästinensischen Volkes zu vertreten."

Palästinenser sind gespalten

Derweil bleibt die Lage in den Autonomiegebieten gespannt. Ein militärischer Anführer der radikalen Palästinenser-Gruppe Hamas wurde bei einem Attentat im Gaza-Streifen Augenzeugen zufolge schwer verletzt. Unbekannte hätten in Chan Junis aus einem fahrenden Auto auf Chaled Abu Ansa geschossen. Ein Begleiter Ansas sei ebenfalls verwundet worden. Zu der Tat bekannte sich niemand. Örtliche Hamas-Vertreter machten die Fatah-Bewegung von Präsident Mahmud Abbas verantwortlich.

Rund 30 palästinensische Polizisten stürmten am Montagmorgen das Parlamentsgebäude in Gaza-Stadt. Nach Augenzeugenberichten feuerten sie dabei in die Luft. Die Polizisten schlossen die Tore hinter sich, einige erklommen das Dach. Der Übergriff sei eine "Botschaft" an eine künftige Regierung unter Führung der Hamas, erklärten die Polizisten. Anhänger der bisher regierenden Fatah haben das Gebäude in den vergangenen Tagen bereits mehrfach gestürmt.

Kadima weiter im Aufwind

Befürchtungen, der Wahlausgang in den Palästinensergebieten werde zu einer Radikalisierung in Israel führen, haben sich bisher nicht bewahrheitet. Die neue, gemäßigte Partei Kadima befindet sich in der Gunst der Wähler weiter im Aufwind. Allerdings ist die Bereitschaft der Israelis zum einseitigen Abzug aus palästinensischen Gebieten zurückgegangen, wie aus einer am Montag in der Zeitung "Maariv" veröffentlichten Erhebung hervorgeht.

Quelle: ntv.de

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