Ende der Streitigkeiten Hamas und Fatah einigen sich auf Nachkriegsregierung
23.07.2024, 09:54 Uhr Artikel anhören
Im Gazastreifen hatte die Hamas 2007 die alleinige Kontrolle übernommen und die rivalisierende Fatah-Partei gewaltsam verdrängt.
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
Die beiden Palästinenser-Organisationen Fatah und Hamas sind seit Jahren verfeindet. Palästinenserpräsident Abbas wirft der Hamas vor, für den Gaza-Krieg und Israels Vorgehen mitverantwortlich zu sein. Jetzt scheinen die Gruppierungen ihre Spaltung durch Vermittlung Chinas überwunden zu haben.
Bei Gesprächen in China haben sich 14 palästinensische Gruppierungen, darunter die islamistische Hamas, dem chinesischen Außenminister Wang Yi zufolge für die Nachkriegszeit im Gazastreifen auf eine nationale Interimsregierung der "Versöhnung" geeinigt. Der wichtigste Punkt sei die Einigung auf die Bildung einer "nationalen Interimsregierung zur Versöhnung", sagte Wang nach der Unterzeichnung der "Pekinger Erklärung" durch die Gruppierungen. Zu den Unterzeichnern gehört demnach auch die säkulare Fatah, die in Rivalität zur Hamas steht.
Der hochrangige Hamas-Vertreter Musa Abu Marsuk bestätigte, dass seine Organisation die Erklärung unterzeichnet habe. "Wir sind der nationalen Einheit verpflichtet und fordern sie", erklärte Abu Marsuk weiter.
Die radikal-islamische Hamas führt im Gazastreifen seit Oktober 2023 Krieg gegen Israel. Ihre Kämpfer vertrieben 2007 die Fatah aus dem Gazastreifen. Die Fatah ist die Bewegung des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas. Er ist der Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde. Sie übt eine eingeschränkte Selbstverwaltung im von Israel besetzten Westjordanland aus, verfügt dort jedoch nur über beschränkte Macht.
Die Hamas und die Palästinensische Autonomiebehörde haben seit 2007 bereits mehrmals Verhandlungen über eine Einheit geführt. Die Bemühungen um Einheit sind jedes Mal wegen der Rivalität zwischen der Hamas und Fatah gescheitert. Ebenfalls zum Scheitern beigetragen hat die Weigerung des Westens, eine Regierung zu akzeptieren, an der die Hamas beteiligt ist, solange sie nicht ausdrücklich Israel anerkennt.
Abbas kritisiert Hamas
Abbas hatte jüngst der Hamas eine Mitverantwortung für den Gaza-Krieg zugewiesen und damit wachsende Differenzen aufseiten der Palästinenser demonstriert. Die Hamas entziehe sich der nationalen Einheit und liefere Israel als Besatzungsmacht Vorwände, hieß es in einer von Abbas' Büro im Westjordanland Mitte Juli veröffentlichten Erklärung. Die Hamas sei demnach mitverantwortlich für die Fortsetzung des Kriegs.
Damit bekräftigte Abbas seine Vorwürfe gegen die Hamas. Mitte Mai hatte der Palästinenserpräsident der Hamas vorgeworfen, Israel "Vorwände" für das militärische Vorgehen im Gazastreifen geliefert zu haben. Der auf einer "einseitigen Entscheidung" der Hamas basierende Angriff vom 7. Oktober habe Israel "weitere Vorwände und Rechtfertigungen" geliefert, um den Gazastreifen anzugreifen "und Hunderttausende Menschen zu töten (...) und zu vertreiben", sagte Abbas bei einem Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Bahrain.
China verstärkt Einfluss im Nahen Osten
Chinas Chefdiplomat Wang fügte hinzu, die Versöhnung sei "eine innere Angelegenheit der palästinensischen Gruppierungen". Gleichzeitig könne sie "nicht ohne die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erreicht werden". Sein Land wolle eine "konstruktive Rolle bei der Sicherung von Frieden und Stabilität" im Nahen Osten spielen.
China hat sich in der Vergangenheit solidarisch mit der palästinensischen Sache gezeigt und unterstützt eine Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt. Diese sieht einen unabhängigen, mit Israel koexistierenden Palästinenserstaat vor. Peking hatte bereits im April die beiden rivalisierenden Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah zu Gesprächen über eine "innerpalästinensische Versöhnung" empfangen.
China hat in den vergangenen Jahren seine wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen in den Nahen Osten verstärkt. Außerdem spielt die Region, in der traditionell der Einfluss der USA stark ist, für Peking eine wichtige Rolle als Knotenpunkt in seinem Infrastrukturprojekt Neue Seidenstraße. Die im Rahmen des Projekts gebauten Häfen, Eisenbahnlinien, Flughäfen und Industrieparks in Asien, Europa und Afrika sollen China einen besseren Zugang zu den Märkten anderer Länder verschaffen.
Israel kritisiert Abbas für Abkommen
Israel kritisiert den Palästinenserpräsident Abbas für seine Einigung mit der Hamas auf eine Übergangsregierung im Gazastreifen scharf. "Anstatt den Terrorismus abzulehnen, umarmt Mahmud Abbas die Mörder und Vergewaltiger der Hamas und offenbart damit sein wahres Gesicht", schrieb der israelische Außenminister Israel Katz am Dienstag im Onlinedienst X. "In Wirklichkeit wird das nicht passieren, denn die Herrschaft der Hamas wird zerschlagen und Abbas wird Gaza aus der Ferne beobachten."
Weder Israel noch sein enger Verbündeter USA akzeptieren eine Beteiligung der Hamas an einer Nachkriegsordnung für den Gazastreifen. Israel will, dass nach dem beispiellosen Angriff der Radikalislamisten am 7. Oktober auf sein Territorium, der den Krieg im Gazastreifen auslöste, die Hamas zerschlagen wird und keine Bedrohung mehr von ihr ausgeht.
Quelle: ntv.de, gut/rts/AFP/AP