Gegen SPD, Grüne und Linke Haushaltssperre in Hessen
02.07.2008, 11:36 UhrNach kostspieligen Beschlüssen des hessischen Landtags und der geschäftsführenden CDU-Regierung hat Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) dem Land ein millionenschweres Sparprogramm verordnet. Mit der verhängten Haushaltssperre wolle er ein Zeichen setzen, sagte Weimar in Wiesbaden. Es gebe nämlich derzeit eine Tendenz, leichtfertig mit Ausgaben umzugehen. Zunächst sollten 80 Millionen Euro eingespart werden, um die von Regierung und allen Fraktionen gewollten Einkommensverbesserungen der Angestellten und Beamten zu finanzieren. In Hessen regiert die CDU seit der Landtagswahl im Januar ohne eigene Mehrheit im Parlament.
Zu den teuren Maßnahmen zählte Weimar auch die von SPD, Grünen und Linken durchgesetzte Abschaffung der Studiengebühren und die einstimmig beschlossenen 1000 zusätzlichen Referendare für den Schuldienst. Die dafür erforderlichen 30 Millionen Euro hätten allein keine Sperre erfordert, betonte der Minister. Sollte der Landtag aber weitere kostenträchtige Beschlüsse fassen, werde er die Haushaltssperre noch verschärfen. Dann müssten möglicherweise auch Leistungen für soziale Zwecke gekürzt werden.
Praktisch bedeutet die Sperre, dass die Verwaltung drei Prozent ihrer Sachausgaben einsparen muss. Die Summe müsse aus Hunderten kleiner Einzelposten zusammengebracht werden, sagte der Minister. Bei Personal, Bau und Investitionen dürfe nur noch das ausgegeben werden, was unbedingt erforderlich oder aufgrund rechtlicher Verpflichtungen nötig sei. Zusätzliche Schulden über die für dieses Jahr geplanten 547 Millionen Euro hinaus lehnte Weimar ab. Er halte zudem an dem Ziel fest, 2011 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.
SPD und Grüne wollen die Mehrkosten lieber über einen Nachtragshaushalt finanzieren. "Dies wäre der sauberste Weg, um alle Haushaltsrisiken offenzulegen und das Parlament an der Entscheidung über die Gegenfinanzierung wichtiger Vorhaben zu beteiligen", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Reinhard Kahl. Der Grünen-Abgeordnete Frank Kaufmann vermutete, dass der Minister für seinen Haushaltsentwurf 2009 schon mal Schuldige suche, um vom eigenen Versagen abzulenken. CDU-Fraktionschef Christean Wagner befürwortete Weimars Entscheidung. Es sei jetzt nicht die Zeit für "finanzpolitische Traumschlösser".
FDP und Steuerzahlerbund begrüßten die Sperre, die Linke lehnte sie ab. Der FDP-Abgeordnete Dieter Posch sprach von einer Warnung an die linke Mehrheit im Landtag vor immer neuen "Wünsch-Dir-Was-Projekten". Auch der Steuerzahlerbund sah in der Sperre ein Zeichen gegen "die Ausgabenfantasien der Landtagsfraktionen", erklärte dessen Landesvorsitzender Ulrich Fried. Linken-Fraktionschef Willi van Ooyen nannte die Begründung für die Sperre fadenscheinig. Sie sei ein Versuch, sich den Beschlüssen des Parlaments zu entziehen.
Grüne wollen endlich regieren
Derweil fordern die Grünen immer ungeduldiger eine Entscheidung, ob Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti nach der ersten Pleite noch einen Anlauf zur Ablösung Kochs wagen wird - verbunden mit dem Hinweis, dass man es andernfalls ja mit der CDU versuchen könne.
"Es spricht nichts mehr gegen ein schwarz-grünes Bündnis in Hessen", ließ sich die frühere Grünen-Landesvorsitzende Evelin Schönhut-Keil im "Spiegel" zitieren. Ähnlich äußert sich Amtsvorgänger Hubert Kleinert. Eine Jamaika-Koalition mit Union und FDP sei "strategisch interessanter" als das bislang favorisierte Ampelbündnis mit SPD und Liberalen. Bei der Ampel könnte die FDP die Inhalte bestimmen, bei Jamaika käme dagegen "den Grünen eine Schlüsselrolle zu".
Beides ist allerdings gleichermaßen unwahrscheinlich. Die FDP ist zu einer Ampel nicht bereit, und bei den Grünen sieht es in Sachen Jamaika bislang nicht anders aus. Für ein Bündnis mit der Union sei "die Akzeptanz in der Partei und auch in der Wählerschaft schon sehr gering", sagt der grüne Kommunalpolitiker Karsten McGovern, der in seinem Kreis Marburg-Biedenkopf seit sieben Jahren mit der Union zusammenarbeitet.
Mauer und Stacheldraht in den Köpfen
Das SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer forderte unterdessen seine Partei auf, die pauschale Abgrenzungspolitik gegenüber der Linkspartei aufzugeben. "Nie- und Nimmer-Absagen an Koalitionen mit der Linken sind kontraproduktiv", schreibt Scheer im "Stern". "Sie verhindern nicht, dass die Linkspartei zu Lasten der SPD immer stärker wird." Es sei höchste Zeit, die Auseinandersetzung "klarer, selbstbewusster, differenzierter" zu führen. Die SPD müsse der Linken "grundlegende Bedingungen für eine mögliche Zusammenarbeit" stellen. Nur begründete Absagen einer Koalition seien nachvollziehbar und dadurch glaubwürdig.
Scheer bezeichnet es dem "Stern" zufolge als kaum nachvollziehbar, dass sich die SPD im Westen Deutschlands noch schärfer von der Linken abgrenzen solle als im Osten: "Wo gab es denn SED, Mauer und Stacheldraht? In Hessen etwa?" Es wirke nur lächerlich, ausgerechnet Mitglieder und Wähler der Linkspartei im Westen mit einem SED-Verdikt zu überziehen. Sie seien bis vor kurzem noch Mitglieder und Wähler der SPD gewesen.
Quelle: ntv.de