Schwierige Zeiten für Schwarz-Gelb Heißer Kungel-Herbst erwartet
22.08.2010, 15:13 UhrSchwarz-Gelb stehen im Bundesrat schwierige Zeiten bevor: Die Länder pochen auf Mitsprache. Die Berliner Kungeleien werden damit voraussichtlich in eine neue Runde gehen.
Im Bundesrat wird bereits von "Gesetzgebung im Ausnahmezustand" gesprochen. Schwarz-Gelb hat seit der NRW-Wahl in der Ländervertretung keine Mehrheit mehr. Will Angela Merkel ihre zentralen Regierungsvorhaben - vom Sparpaket über die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke bis zum Wehrdienst - durchbringen, wird sie Kompromisse mit einzelnen Ländern suchen müssen.
Deshalb kommt aus dem Bundesrat bereits die Aufforderung an die Regierung, nicht wie jüngst wieder beim Thema Google Street View Vorschläge der Länder einfach zu übergehen. Wegen der kaum kalkulierbaren Mehrheiten im Bundesrat wird in den Ländern mit Hauen und Stechen gerechnet. Die Regierung werde versuchen, die Zustimmung mit "Paketen" zu erkaufen oder zu gewagten rechtlichen Konstruktionen Zuflucht nehmen, ist verbreitete Ansicht.
Friss-Vogel-oder-stirb-Politik?
"Eine Friss-Vogel-oder-stirb-Politik mit dem Bundesrat wird es nicht mehr geben können", sagt Wolfgang Reinhart. Der baden- württembergische Bundesratsminister und Koordinator der unionsgeführten Länder erinnert daran, dass die Bundesregierung in den ersten acht Monaten ihrer Amtszeit bereits mehrfach im Schnellverfahren Gesetze in der Länderkammer durchgedrückt hat.
Die vom Grundgesetz eigentlich vorgeschriebene Beratungszeit für die Länder von neun Wochen wurde mehrfach missachtet. Das Ergebnis war: Bei der Solarförderung wurde der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat angerufen. Bei der ebenfalls im Schnellverfahren durchgezogenen Griechenland-Hilfe gab es Verfassungsklagen.
Verfassungsklagen werden häufiger
Künftig, glaubt auch Reinhart, wird es wieder häufiger Vermittlungsverfahren und wahrscheinlich auch Verfassungsklagen geben. Karlsruhe hat im Januar per Beschluss die Rolle des Bundesrates im Verhältnis zum Bundestag gestärkt. Überstürzte Gesetzesverfahren - wie noch zu Beginn der Legislaturperiode üblich - dürfen künftig nur noch die echte Ausnahme sein.
Nach dem Verlust der schwarz-gelben Mehrheit sind im Bundesrat jetzt bis zu acht verschiedene Koalitionsvarianten für die Mehrheitsbildung möglich. Können sich die Koalitionsregierungen in einzelnen Ländern nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen, enthalten sie sich im Bundesrat. Dies zählt dann faktisch als Ablehnung, weil für eine Zustimmung immer die absolute Mehrheit von 35 der 69 Länder-Stimmen verlangt wird.
So wird in den Ministerien der Bundesregierung bereits intensiv nach Wegen gesucht, die umstrittene Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke ohne Länder-Beteiligung durchzudrücken. Auch bei anderen Koalitionsvorhaben wird der Versuch unternommen werden, aus Zustimmungsgesetze Einspruchsgesetze zu machen. Ein negatives Bundesrats-Votum kann vom Bundestag letztlich überstimmt werden.
Verhandlungskunst der Kanzlerin ist gefragt
Vor Jahren - vor ihrer ersten Wahl zur Bundeskanzlerin - träumte Merkel noch vom "Durchregieren" im Bundesrat. Jetzt ist die Verhandlungskunst der Kanzlerin auch mit den Ländern stärker gefragt denn je. Kenner der Bund-Länder-Szene erwarten eine neue Hochzeit für die Berliner Kungelrunden. "Die Kaminrunden, der Koalitionsausschuss und die Koordinationsgespräche werden an Gewicht gewinnen", sagt auch Reinhart.
Quelle: ntv.de, Frank Rafalski, dpa