Kritik an Scholz' Zurückhaltung Hofreiter: "Deutschland muss deutlich mehr tun"
20.04.2022, 03:05 Uhr
Wenn Russland den Krieg gewinnt, ist kein Land in der Nachbarschaft sicher, fürchtet Hofreiter.
(Foto: imago images/Future Image)
Kanzler Scholz will der Ukraine Rüstungsbestellungen finanzieren - von direkten Lieferungen schwerer Waffen aus Deutschland spricht er nicht. Dabei wären die gerade jetzt nötig, betont der Grünen-Europapolitiker Hofreiter. Er fürchtet eine Ausweitung des Krieges vor allem dann, wenn Russland militärische Erfolge verbucht.
Auch nach den jüngsten Ankündigungen von Bundeskanzler Olaf Scholz zur militärischen und finanziellen Hilfe für die Ukraine hält in der Ampel-Koalition die Kritik an seiner Position an. Der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter bekräftigte am Dienstagabend seine Forderung nach der Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland an die Ukraine. Auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann monierte, bei den Ukraine-Hilfen laufe Deutschland anderen Ländern "noch zu sehr hinterher".
Scholz hatte am Dienstag nach einer Videokonferenz mit Partnern der G7-Staatengruppe sowie der Nato weitere militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine für den Kampf gegen die russischen Invasionstruppen zugesagt. Die Lieferung von Panzern aus Beständen der Bundeswehr lehnte der Kanzler aber ab. Er sicherte osteuropäischen Nato-Partnern, die Waffen sowjetischer Bauart aus ihren alten Beständen an die Ukraine liefern könnten, deutsche Unterstützung bei der Beschaffung von Ersatz zu.
Hofreiter sagte dazu im ZDF-"heute journal", zwar sei die Ankündigung, osteuropäische Partnerländer zu unterstützen, die Waffen an die Ukraine liefern, ein "weiterer Schritt in die richtige Richtung". Angesichts des "heftigen Abnutzungskrieges" müsse aber auch Deutschland selbst direkt schwere Waffen an Kiew liefern. Seine Zögerlichkeit begründe Scholz mit seiner Sorge vor einem deutschen Alleingang, sagte Hofreiter, der den Europaausschuss des Bundestags leitet. "Aber wir haben längst einen Alleingang - nämlich, dass wir weniger tun als alle unsere Nachbarn, wenn sie daran denken, dass zum Beispiel jetzt auch Frankreich ein Ölembargo fordert". Deutschland müsse "einfach deutlich mehr tun, denn wir sind das größte Land innerhalb der Europäischen Union, das wirtschaftsstärkste".
Zu Befürchtungen, wonach schwere Waffenlieferungen an die Ukraine von Russland als Kriegseintritt bewertet werden könnten, sagte der Grünen-Politiker, auch er fürchte eine Ausweitung des Krieges. Allerdings sei die Gefahr, dass der Krieg sich ausweite, "umso größer, je länger der Krieg dauert und je mehr Russland einem Sieg näher kommt". Der russische Staatschef Wladimir Putin "lügt jeden Tag", sagte Hofreiter. "Aber über seine strategischen Ziele hat er uns die Wahrheit gesagt: die Wiedererrichtung des russischen Reiches. Und deshalb, wenn die Gefahr besteht, dass Russland diesen Krieg gewinnt, dann ist kein Land in der Nachbarschaft sicher, weder das Baltikum noch die Republik Moldau. Und dann droht die Ausweitung des Krieges."
CDU: "Zu wenig - zu spät"
Auch die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann begrüßte Scholz' Ankündigung, bei dem Ersatz für aus osteuropäischen Staaten an die Ukraine gelieferte Waffen zu helfen. Doch kritisierte sie zugleich, von Scholz sei "noch zu wenig Konkretes" zur Unterstützung der Ukraine gekommen. "Um Freiheit und Menschenrechte muss man (...) kämpfen, die bekommt man nicht geschenkt", schrieb die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses bei Twitter. Auch Strack-Zimmermann setzt sich für die Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland an die Ukraine ein.
Kritik an der Position des Kanzlers kam auch erneut von der Union. CDU/CSU-Vizefraktionschef Johann Wadephul kommentierte Scholz' Ankündigungen mit den Worten: "Zu wenig - zu spät". Dies bleibe die "bittere Bilanz" auch nach den jüngsten Äußerungen des Kanzlers. Indem Deutschland weiterhin keine schweren Waffen liefere, lasse es "die Ukraine im Stich", twitterte der CDU-Politiker.
Quelle: ntv.de, ino/AFP