Rebellion in Oberbayern Huber und Beckstein unter Druck
29.09.2008, 22:43 UhrIn der CSU wächst der Druck auf den angeschlagenen Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein, schnell zurückzutreten. Die Bewegung geht vom Bezirksverband Oberbayern aus. Mehrere oberbayerische CSU-Politiker wollen erreichen, dass neben Huber und Beckstein auch Generalsekretärin Christine Haderthauer und Landtagsfraktionschef Georg Schmid zurückreten.
Dies verlautete aus informierten Kreisen. CSU-Vize Horst Seehofer soll demnach beide Spitzenämter übernehmen. Huber, Beckstein, Seehofer und andere Teilnehmer trafen sich am Montagabend in München zu einem Krisentreffen.
Huber hat in der CSU-Spitze den Rückhalt verloren, sein Rückzug gilt als eine Frage der Zeit. Seehofer gilt als aussichtsreichster Kandidat für die Parteispitze. Anders sieht es jedoch mit einer Übernahme des Ministerpräsidentenamts durch Seehofer aus. Die Oberbayern-CSU ist der größte und einflussreichste Bezirksverband der Partei.
In Oberbayern gab es bereits vor der Wahl starke Unzufriedenheit mit dem Niederbayern Huber und dem Franken Beckstein, denen nun die Wahlniederlage angelastet wird. Mehrere Oberbayern hatten erwartet, dass Beckstein und Huber am Tag nach Wahl von sich aus ihren Rückzug bekannt geben würden. Das war bei der CSU-Vorstandssitzung am Montagvormittag aber kein Thema. Anschließend trafen sich die Oberbayern erneut, ebenso der Bezirksverband Schwaben. Für Seehofer als Ministerpräsident sind außerhalb Oberbayerns nur wenige CSU-Landtagsabgeordnete. Am Dienstag will zunächst die CSU-Landesgruppe im Bundestag die Neuaufstellung beraten. Am Mittwoch folgt dann ein Treffen der CSU- Landtagsfraktion in München.
Huber gegen "Bauernopfer"
Zuvor hatte Huber alle Rücktrittsforderungen aus der eigenen Partei zurückgewiesen. So lehnte er das Angebot von CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer ab, die ihr Amt aufgeben wollte. Huber räumte nach Beratungen der CSU-Spitze ein, dass die Wähler der CSU einen "massiven Denkzettel erteilt" hätten. Doch dürfe es auch nach der Wahl kein Gegeneinander, sondern nur ein Miteinander geben. Die Partei wolle keine "Bauernopfer" oder einzelne Personen zu "Sündenböcken" machen.
Dennoch kündigte Huber eine "schonungslose und selbstkritische Analyse" an. Es könne kein "einfaches Weiter so" geben. Auf allen Ebene solle es nun parteiinterne Diskussionen geben. Der Parteivorstand habe mit seiner gründlichen Diskussion den Startschuss für eine geordnete schonungslose und kritische Aufarbeitung des Wahlergebnisses gegeben, sagte Huber. Darin würden alle Parteigliederungen einbezogen. Die CSU werde sich nach dieser schmerzlichen Niederlage nicht zerfleischen. Es werde ein "geordnetes Einvernehmen" über die nächsten Schritte geben. Möglicherweise stünden auch personelle Entscheidungen an, die aber im Miteinander getroffen würden. Auf einem Sonderparteitag am 25. Oktober werde die CSU die weitere Marschrichtung bestimmen und möglicherweise auch personelle Konsequenzen ziehen, so Huber.
Als Ursachen für die extrem hohen Verluste von rund 17 Prozentpunkten führte Huber auch an, dass die Partei "keinen Rückenwind" aus der Bundespolitik bekommen habe. Die Große Koalition habe sich ausgewirkt und auch von der Schwesterpartei CDU hätten sich die Christsozialen mehr Unterstützung etwa für ihr Steuerkonzept erwartet.
Gespräche mit FDP und freien Wählern
Beckstein kündigte an, zunächst mit der FDP und den Freien Wählern Sondierungsgespräche aufnehmen zu wollen. "Der Regierungsauftrag geht zuerst an uns", sagte Beckstein. Er stehe für eine Koalition zur Verfügung. Für die CSU sei es eine existenzielle Frage, ihr Profil in den Koalitionsverhandlungen zu wahren. Wichtiges Thema sei die innere Sicherheit. Bayern dürfe seinen Vorsprung an Sicherheit nicht verlieren. Auch die Begriffe Patriotismus und Heimat dürften "auf dem Altar einer Koalition keinesfalls geopfert werden". Die Sondierungsgespräche mit FD und Freien Wählern sollen Huber, der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein, Seehofer und Landtagsfraktionschef Georg Schmid führen. Eine Koalition mit SPD oder Grünen schloss Huber aus.
"CSU nicht entzaubert"
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hartmut Koschyk, hält seine Partei durch das Wahlergebnis nicht für entzaubert. Die CSU habe "innerhalb des bürgerlichen Lagers verloren", sagte Koschyk gegenüber n-tv.de. "Wenn wir uns entsprechend gut neu aufstellen, halte ich diese Stimmen für die CSU für rückholbar."
Für die CSU komme es jetzt darauf an, ihr Profil zu schärfen. "Kompromisse um jeden Preis kann und wird es in der Großen Koalition nicht geben", so Koschyk. "Das wird besonders für die Erbschaftsteuer gelten."
Neuanfang unumgänglich
Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Oskar Niedermayer ist ein Personalwechsel bei der CSU unumgänglich, um einen Neuanfang zu symbolisieren. "Dieser Personalwechsel wird zuvörderst eben den Parteichef Herrn Huber treffen. Ich vermute, dass Herr Seehofer in den nächsten Wochen dann neuer Parteichef werden wird", erklärte der Parteienforscher bei n-tv. Ministerpräsident Beckstein dürfte zumindest bis nach der Bundestagswahl im Amt bleiben, weil seine Nachfolge noch nicht geklärt sei.
Als Grund der CSU-Schlappe nannte Niedermayer zum einen den längerfristigen Trend gegen die CSU in Bayern. Aber es gebe auch mittelfristige Gründe. "Man darf nicht vergessen, dass Stoiber nach seinem Wahlsieg 2003 ein ganz dramatisches Reformprogramm in Bayern durchgezogen hat", sagte der Politologe. Das habe die Interessen vieler Gruppen in Bayern deutlich getroffen. Zudem habe die CSU versucht, in jüngster Zeit einige Großprojekte gegen die Interessen der Bevölkerung durchzupeitschen. "Sie hat also nicht mehr das Ohr am Volke gehabt."
CSU verliert mehr als 17 Prozent
Bei der Landtagswahl am Sonntag hatte die CSU nur noch 43,4 Prozent nach 60,7 Prozent vor fünf Jahren erhalten. Die SPD verlor ebenfalls auf 18,6 (19,6) Prozent und fuhr ihr schlechtestes Landtagswahlergebnis in Bayern überhaupt ein. Die Grünen verbesserten sich auf 9,4 (7,7) Prozent, die FDP zog mit 8,0 (2,4) Prozent nach 14 Jahren wieder in den bayerischen Landtag ein. Noch deutlicher schafften die Freien Wähler mit 10,2 (4,0) Prozent den Sprung ins Parlament. Die Linkspartei scheiterte mit 4,3 Prozent hingegen an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag bei 58,1 Prozent, das ist eine Steigerung um ein Prozent gegenüber der Wahl 2003. Zum ersten Mal seit 1962 kann die CSU nicht allein regieren.
Quelle: ntv.de