Politik

Harter Wahlkampf in Griechenland "Ich will der Regierung eins auswischen"

Wahlplakate der Linkspartei Syriza. Umfragen sagen ihr einen knappen Sieg voraus.

Wahlplakate der Linkspartei Syriza. Umfragen sagen ihr einen knappen Sieg voraus.

(Foto: REUTERS)

Langweiliger Wahlkampf? Nicht in Griechenland. Allerdings geht es dort nicht um Europa, sondern um die Frage: Soll man der Regierung einen Denkzettel verpassen oder doch lieber auf Stabilität setzen?

Akrivi Papavageliou schaut durch die spärlich gefüllte Vitrine ihres kleinen Blumenladens auf die Straße. "So sauber war es hier im Viertel schon lange nicht mehr, aber kurz vor den Wahlen erinnern sich die Politiker an die Nöte der Bürger. So geht es jedes Mal!" Akrivi Papavageliou muss es wissen, denn nach draußen schaut sie nun oft. Um insgesamt 25 Prozent ist das griechische Bruttoinlandsprodukt seit Beginn der Finanzkrise eingebrochen. Auch die Floristin bekommt das zu spüren. "Den größten Umsatz habe ich früher mit Hochzeitsgestecken gemacht. Aber die Leute heiraten inzwischen deutlich seltener, denn auch dafür fehlt ihnen das Geld." Schnittblumen hält sie daher nur noch in kleinen Mengen vor, stattdessen verkauft sie Topfpflanzen. "Wer soll bei einer Arbeitslosigkeit von fast 28 Prozent Blumen kaufen?"

Alexis Tsipras ist Spitzenkandidat von Syriza in Griechenland und zugleich der europäischen Linken.

Alexis Tsipras ist Spitzenkandidat von Syriza in Griechenland und zugleich der europäischen Linken.

(Foto: dpa)

Akrivi Papavageliou muss dennoch durchhalten. Ihr Mann ist seit drei Jahren arbeitslos, und auch ihre Tochter, eine Ernährungsberaterin, kann keine Stelle finden. Stattdessen surft die nun viel im Internet. "Stellen Sie sich vor, gestern sind auf ihrer Facebook-Seite plötzlich Posts von konservativen Kandidaten aufgetaucht, die ihr angeblich gefallen." Dabei sei die Tochter Syriza-Anhängerin und mache auch auf Facebook keinen Hehl daraus. "Da hat eindeutig jemand ihren Account gehackt." Der griechische EU-Wahlkampf wird mit harten Bandagen geführt. Die Wahl wird mit so großer Spannung erwartet wie schon lange nicht mehr.

Sieben von zehn Wählern geben in Umfragen an, von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen zu wollen. Das wäre eine deutlich größere Beteiligung als bei den Europawahlen 2009 und 2004. Um Europa geht es dabei allerdings nur am Rande. In Interviews und Wahlspots ist nichts zu hören über Saatgut oder Cyber-Sicherheit, nichts über Bankenaufsicht oder Managerboni. Die EU-Wahl gilt in Griechenland als Stimmungsbarometer für die amtierende Koalition, die nach diversen Fraktionsausschlüssen mit nurmehr einer Stimme Mehrheit regiert. Denn auch wenn insgesamt 43 Parteien um die Gunst der griechischen Wähler buhlen - am Sonntag wird vor allem interessieren, ob das Koalitionsgespann aus konservativer Nea Demokratia und Sozialisten vorne liegt oder eben doch der linke Herausforderer Syriza.

"Ich würde der Regierung gerne eins auswischen"

Ein Wahlsieg der Linken könnte die hauchdünne Parlamentsmehrheit in Athen in Legitimationsschwierigkeiten bringen, und so bemüht man sich, eine Schönwetterlage zu beschwören. Vor kurzem erst hat Griechenland Staatsanleihen ausgegeben, im Haushalt ist so lange gekürzt worden, bis ein Primärüberschuss übrig blieb, und für dieses Jahr wird sogar ein Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent vorausgesagt. Viele Ökonomen zweifeln allerdings an der Nachhaltigkeit dieser Berechnungen. So auch Professor Haralambos Gotsis von der renommierten Piräus-Universität. "Das jüngste Konsolidierungsprogramm schreibt die Austeritätspolitik bis 2018 fest. Trotz der desaströsen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Politik. Die Ausgaben der Ministerien werden eingefroren, in einigen Fällen sogar zurückgefahren." Gotsis geht daher auch für 2014 von einer leichten Rezession aus.

Pantelis Oikonomou braucht keine Statistiken, um sich ein Bild der Lage zu machen. "Also, so sehr ich mich bemühe, ich kann keinen Wirtschaftsaufschwung erkennen." Er lenkt sein Taxi durch eine zentrale Athener Einkaufsstraße, in der Laden um Laden verweist ist. "Wenn ich abends Kassensturz mache und die Ausgaben fürs Benzin abziehe, bleiben mir vielleicht 30 Euro übrig, und auch das nur an guten Tagen." Der Taxifahrer wird daher am Sonntag das bisher Unvorstellbare tun. Der ehemals glühende Pasok-Anhänger wird diesmal sein Kreuzchen woanders setzen. "Ich weiß noch nicht genau, wen ich wählen werde, nur eins ist sicher: Es wird niemand von denen sein, die regieren." Die Blumenhändlerin Akrivi Papavageliou dagegen ist skeptisch. "Ich würde der Regierung gerne eins auswischen, aber ich habe Angst vor finanzieller Instabilität. Ich habe immerhin eine ganze Familie zu ernähren."

Die Umfrageergebnisse waren bis zuletzt widersprüchlich. Zuletzt zeigten zwei Umfragen einen Vorsprung im Kommastellenbereich für die Konservativen, zwei andere Umfragen sehen die Linken vorne. Über 15 Prozent der Wähler sind allerdings noch unentschlossen, und überraschend viele schließen sich einer neuen Partei an. To Potami heißt die, was übersetzt "der Fluss" heißt. Die möchte möglichst viele Griechen mitreißen, lässt dabei allerdings ihre genauen Positionen im Dunkeln. Man gibt sich ein wenig sozial, ein wenig liberal, man ist pro-europäisch, doch nicht zu politisch und verlässt sich ansonsten ganz auf den Charme des Parteivorsitzenden, einen bekannten Fernsehjournalisten. Umfragen zufolge ist To Potami drittstärkste Kraft. "Wir wissen nicht genau, wofür To Potami steht, das ist richtig", sagt ein junger Mann am Rande einer Wahlveranstaltung. "Aber wenigstens ist diese Partei etwas Neues."

Quelle: ntv.de

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