Politik

"Steuern müssen steigen" Ifo widerspricht Merkel

Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, rechnet wegen der Wirtschaftskrise mit Steuererhöhungen und Kürzungen im Sozialbereich. Steuersenkungen, wie sie Union und FDP den Bürgern in Aussicht stellen, hält er für unrealistisch.

Infolge der Krise seien nicht Entlastungen, sondern vielmehr Steuererhöhungen nötig, sagte Sinn der Zeitung "Die Welt". Um die Staatsschulden bezahlen zu können, "werden wir die Steuern erhöhen und die Staatsausgaben im Sozialbereich reduzieren müssen". "Auf jeden Fall werden die Deutschen den Gürtel enger schnallen müssen", sagte Sinn.

"Insel der Seligen"

Trotz der Rezession befürchtet der Ökonom keine sozialen Unruhen. "Deutschland ist die Insel der Seligen in dieser wirtschaftlichen Krise – dank des Sozialstaats", sagte er. Der Sozialstaat sei ein stabilisierendes Element. 42 Prozent der erwachsenen Deutschen lebten von Transfereinkommen. Dies sei zwar einerseits ein Ärgernis. Doch andererseits sei diese Gruppe geschützt vor den Folgen der Krise.

Die Bundeskanzlerin hatte erst gestern klargestellt, dass die Mehrwertsteuer nicht weiter angehoben werden soll. Bei RTL sagte Angela Merkel, derzeit seien Steuererhöhungen generell nicht "das richtige Signal". Stattdessen sollten die Steuern auf absehbare Zeit gesenkt werden, so Merkel.

CSU-Chef Horst Seehofer kam der Kanzlerin im unionsinternen Steuerstreit entgegen, indem auch er Steuersenkungen von der wirtschaftlichen Lage abhängig machte. Die FDP setzt weiterhin auf eine sofortige umfassende Steuerreform. Führende SPD-Politiker sehen indes keinen Spielraum für Steuersenkungen.

Steuersenkungen ohne Termin

Merkel sagte beim Auftakt des CDU-Europawahlkampfes in Aachen, nur mit Investitionen in die Zukunft und mit Entlastungen gelinge der Weg aus der für Deutschland schlimmsten Krise der vergangenen 60 Jahre. "Entlastung, Zukunftsinvestition und solide Haushaltsführung gehören für uns zusammen." Nach einem "Spiegel"-Bericht einigten sich Merkel und Seehofer darauf, im Wahlprogramm der Union keinen festen Termin für eine Steuersenkung zu nennen. Dem "Handelsblatt" sagte Seehofer: "Steuersenkungen müssen kommen, und zwar spätestens, wenn wieder Wachstum herrscht." Da sei die CSU mit Merkel "völlig einig".

Steuererleichterungen sollen nach Angaben des Magazins im Wahlprogramm nun damit begründet werden, dass das Wachstum angekurbelt werden müsse, wenn die Wirtschaftskrise ihren Höhepunkt überschritten habe. Im "Deutschlandfunk" sagte Seehofer, wenn es wieder Wachstum gebe, müssten verbindliche Steuerentlastungen und Schuldentilgung erste Priorität haben. Das Unionsprogramm für die Bundestagswahl im September soll Ende Juni verabschiedet werden.

Entlastung ohne Gegenfinanzierung

Die FDP will Bürger und Unternehmen mit einer Steuerreform um bis zu 35 Milliarden Euro entlasten. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte auf dem FDP-Bundesparteitag in Hannover, ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem sei "das beste Konjunkturprogramm, das man machen kann". Er warf Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) ein "Abkassieren" der Bürger vor. "Die Aufschwung-Dividende ist bei den Menschen nicht angekommen. Ein Einziger hat kassiert, Peer Steinbrück und vorher Hans Eichel." Parteichef Guido Westerwelle machte Steuersenkungen zur Bedingung für eine mögliche Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl im September.

Nur heiße Luft

Steinbrück bezeichnete die Steuersenkungspläne der FDP als "grotesk". Wenn die FDP die steigende Verschuldung der öffentlichen Haushalte kritisiere und zugleich zweistellige Steuerausfälle durch Steuersenkungen in Kauf nehme, so zeige dies, dass ihr für die Regierungsverantwortung die "erforderliche Reife" fehle, sagte Steinbrück der "Thüringer Allgemeinen". Mit den aktuellen Mindereinnahmen wegen der Finanzkrise sei "jeder Spielraum für zusätzliche Ausgabewünsche und vollmundige Steuersenkungen dahin". Sobald die Wirtschaft wieder anspringe, müsse der Staat "zurück auf den Konsolidierungskurs kommen", sagte der Finanzminister.

Quelle: ntv.de, dpa / AFP / rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen