Aussprache im Bundestag "Ihr hasst euch doch"
28.11.2007, 06:51 UhrGuido Westerwelle brachte es auf den Punkt: Nach zweistündigem Eigenlob der Koalition sagte der FDP-Vorsitzende: "Mit Verlaub gesagt: Das, was ihr hier abliefert, ist doch eine völlig unglaubwürdige Nummer. Jeder Zuschauer weiß: Ihr hasst euch wie die Pest." Da schmunzeln selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel und der neue Vizekanzler, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der erstmals neben ihr auf der Regierungsbank sitzt.
Doch um Gefühle ging es bei der traditionellen Generaldebatte über den Haushalt 2008 im Bundestag nicht. Merkel und andere Redner der Regierungsfraktionen verwiesen auf die Erfolge der vergangenen zwei Jahre. Deutschland habe in den vergangenen zwei Jahren als Ergebnis zurückliegender Reformen verlorene Leistungskraft zurückgewonnen, sagte Merkel. "Der Aufschwung kommt bei den Menschen an. Das ist die gute Botschaft." Die Zahl der Arbeitslosen sei seit dem Amtsantritt der schwarz-roten Regierung im November 2005 um rund eine Million gesunken, die Zahl der Erwerbstätigen habe das Rekordniveau von 40 Millionen Menschen erreicht.
Kindergeld und Kinderarmut
Merkel stellte eine Erhöhung des Kindergelds in Aussicht. Die Bundesregierung werde den Existenzminimum-Bericht im Herbst nächsten Jahres vorlegen und danach die "notwendigen Schlussfolgerungen" ziehen. Die Koalition will nach Merkels Angaben mit einer Neuregelung des Kinderzuschlags auch ihre Bemühungen zur Bekämpfung der Kinderarmut verstärken. Westerwelle warf ihr allerdings vor, nicht "über die Kinderarmut, die sich in Deutschland verdoppelt hat", gesprochen zu haben.
Im Streit über einen Mindestlohn für Briefdienstleister gab sich Merkel verhalten optimistisch: "Ich sehe nach wie vor Möglichkeiten, zu einer Einigung zu kommen."
Struck freut sich
Auch SPD-Fraktionschef Peter Struck sah Einigungschancen, forderte jedoch einen generellen Mindestlohn auch in anderen Branchen. "Wir lassen nicht von dem Thema ab, wenn es sein muss bis 2009." Zugleich würdigte Struck die Arbeit der Regierung: "Was wir geleistet haben, kann sich sehen lassen, und auf diesem Weg werden wir weiter gehen."
Optimistisch zeigte Struck sich bei den Bemühungen für eine gemeinsame Regelung bei der Frühverrentung. Generell signalisierte er Harmonie. "Sie haben eine Rede gehalten, die mir sehr gut gefallen hat", lobte Struck die überraschte Kanzlerin. Diese Politik unterstütze er voll und ganz, was ja sonst nicht immer der Fall sei.
Seitenhieb gegen Steinmeier
Einen Seitenhieb gegen die Sozialdemokraten teilte Merkel im außenpolitischen Teil ihrer Rede aus. Menschenrechte und die Wahrung wirtschaftlicher Interessen seien "zwei Seiten einer Medaille". Sie bezog sich damit indirekt auf Irritationen im deutsch-chinesischen Verhältnis, weil sie den Dalai Lama im Kanzleramt empfangen hatte. Zum Auftakt ihrer Rede begrüßte Merkel die Ergebnisse der Nahost-Konferenz in Annapolis. Die Ergebnisse seien eine Chance für einen dauerhaften Frieden zwischen Palästinensern und Israelis.
In der engagiert geführten Debatte warf FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle der Koalition mangelnden Sparwillen vor. "Sie bringen unser Land nicht voran", sagte er. Links-Fraktionschef Gregor Gysi hielt der Kanzlerin vor, sie habe nur Kontakt zu zehn Prozent der Menschen, wenn sie behaupte, der Aufschwung komme bei ihnen an. "Wir sind weiter entfernt von sozialer Gerechtigkeit als zu Beginn ihrer Koalition", warf er Union und SPD vor. Struck nannte die Sozialpläne der Linken utopisch.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast nannte die Politik der großen Koalition einen "Totalausfall", der auf Kosten künftiger Generationen gehe. Union und SPD hielt sie vor: "Das ist nicht Sanieren, sondern Sie leben über den Durst und auf Kosten nachfolgender Generationen."
Quelle: ntv.de