Der große Ausverkauf Iraker veräußert US-Hinterlassenschaften
30.08.2010, 18:12 Uhr"Made in USA", das steht im Irak für Qualität. Deswegen sammelt Kahtan Karim alles ein, was in den US-Camps nicht mehr benötigt wird. Mit dem Abzug der ersten US-Truppen beginnt das Geschäft richtig zu florieren.

Die US-Truppen haben ihre Sachen gepackt und lassen "Müll" zurück, der im Irak zu Geld gemacht wird.
(Foto: REUTERS)
Für Schnäppchenjäger ist der Trödelmarkt von Kahtan Karim ein kleines Paradies: gebrauchte Fernseher, Laufbänder, Friteusen oder Autoreifen - all das gibt es hier zu unschlagbar günstigen Preisen. Dass der riesige Freiluftmarkt ausgerechnet vor den Toren von Tikrit, der Heimatstadt von Saddam Hussein, platziert ist, entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie: Denn seine Ware sammelt Karim bei der US-Armee ein, die den irakischen Machthaber einst stürzte. Karim verkauft alles, was die US-Soldaten in ihren Camps nicht mehr benötigen - und jetzt, da die US-Armee sich immer mehr aus dem Irak zurückzieht, stehen dem Geschäftsmann goldene Zeiten bevor.
"Wir haben alles, was Sie suchen", steht auf einem Plakat vor dem Markt. "Und wenn wir es nicht haben, dann finden wir es." Seinen Markt und den Sitz seines Unternehmens El Schefar hat Karim zwischen dem US-Camp Speicher - einem der größten US-Stützpunkte im Irak - und der alten Bahnlinie Bagdad-Mossul errichtet. Ein wenig leidet die Ware, die hier auf dem staubigen Boden lagert und der gleißenden Sonne ausgesetzt ist, gibt Karim zu, und ja, einige Gegenstände müssten repariert werden. Aber an seinem Verkaufsargument ändert das nichts: "Es ist nicht teuer, und es ist Qualitätsware", sagt der Geschäftsmann.
"Made in USA" gilt als Qualitätsgarantie
"Made in USA", führt Karim weiter aus, sei für viele Iraker eben wirklich eine Qualitätsgarantie. Er sitzt in seinem Büro, hinter ihm thront die Skulptur eines Seeadlers, des Wappentiers der USA. Die Wände sind tapeziert mit Fotos, die den 38-Jährigen mit US-Soldaten zeigen - gute Kontakte sind wichtig in dem Geschäft.
Einem Geschäft, das allerdings nicht ganz ungefährlich ist. Vor allem in einer Gegend, die eine der Hochburgen der sunnitischen Aufständischen war. 2006 wurde Karim von bewaffneten Männern entführt, er kam erst gegen Zahlung eines Lösegeldes von 60.000 Dollar (gut 47.000 Euro) frei. Seine an den Schläfen grau verfärbten Haare habe er aus dieser Zeit, erzählt Karim.
Seine Familie war eigentlich in der Textilbranche tätig. Nach dem Einmarsch der US-Armee 2003 bot Karim den Truppen an, ihren Müll zu entsorgen. Karim sammelte Altmetall und Plastik ein, das Geschäft florierte. Momentan wartet er auf eine Recyclinganlage, die er für vier Millionen Dollar in den USA gekauft hat. Seit dem zwischen Bagdad und Washington vereinbarten Rückzugsabkommen vom November 2008 füllten sich seine Lager zunehmend.
Quad-Boom im Irak
430 Mitarbeiter beschäftigt Karim inzwischen, mit 260 Fahrzeugen sammelt sein Unternehmen im ganzen Land von der US-Armee nicht mehr genutztes Material ein. In Tikrit und in seinen drei anderen Märkten in Bagdad, Balad und in der Provinz Anbar schauen sich längst nicht mehr nur Schrottverwerter um, sondern auch Händler und Privatleute.
So etwa der 25-Jährige Ali Hussein. Er hat sich bei Karim für 250 Dollar ein vierrädriges Quad-Bike gekauft - und ist begeistert von dem Kauf. "Wir haben Quads immer in Filmen gesehen", sagt er. "Jetzt sind sie in Tikrit der Hit. Alle jungen Leute wollen eins haben - dank der Amerikaner!"
Geschäft nach Afghanistan ausweiten
Plastik und Holzreste bekommt Karim umsonst, für alles andere zahlt er einen festen Preis von 55 Dollar die Tonne, egal, ob er Kühlschränke, Karosserieteile oder Ventilatoren erwirbt. "Ich verkaufe die Sachen zu 25 Prozent des Marktpreises wieder, davon profitieren doch alle", sagt er. Wenn die US-Soldaten bis Ende 2011 endgültig den Irak verlassen haben, hofft er, soll die irakische Armee als Lieferant einspringen. Aber er hat noch andere Pläne: Er will sein Geschäft nach Afghanistan ausweiten. Denn bei den dortigen US-Truppen, da ist er sich sicher, gibt es noch viel zu holen.
Quelle: ntv.de, Jacques Clement, AFP