Dutzende Tote bei Parlamentswahl Iraker wählen trotz Terror
07.03.2010, 16:41 Uhr
(Foto: AP)
Anschläge in etlichen Städten des Irak überschatten die zweite Parlamentswahl seit dem Sturz von Saddam Hussein. Dutzende Menschen kommen dabei ums Leben. Viele Wähler lassen sich jedoch nicht abschrecken - vor den Wahllokalen bilden sich lange Schlangen.
Die richtungsweisende Parlamentswahl im Irak ist von Anschlägen mit mindestens 38 Todesopfern überschattet worden. Trotz strenger Sicherheitsvorkehrungen wurden während des Urnengangs in Bagdad und anderen Städten dutzende Granaten abgefeuert und Bomben gezündet, wie die Polizei mitteilte. Die zweite Wahl seit dem Sturz von Saddam Hussein gilt vor dem endgültigen Abzug der US-Truppen bis Ende 2011 als Test für die Stabilität des Landes.
Allein in der irakischen Hauptstadt registrierten die Behörden mindestens 70 Granateneinschläge und mehrere Bombenattentate, wobei rund 110 Menschen verletzt wurden. Beim Einsturz eines Hauses im Norden Bagdads, das durch Mörserbeschuss schwer beschädigt worden war, kamen 25 Menschen ums Leben, wie das Innenministerium mitteilte. Weitere Menschen starben bei Bombenexplosionen. In Mossul wurden fünf Wahllokale geschlossen, nachdem ein Wahllokal von einer Mörsergranate getroffen worden war. In den drei kurdischen Autonomieprovinzen Erbil, Suleimanija und Dohuk verlief der Wahltag dagegen friedlich.
Schlangen vor den Wahllokalen
Das Terrornetzwerk Al Kaida hatte insbesondere in sunnitischen Gegenden mit Anschlägen gedroht, um die Menschen von der Stimmabgabe abzuhalten. Nach Einschätzung der Behörden und des US-Militärs gelang es den Attentätern jedoch nicht, die Wähler einzuschüchtern. Augenzeugen berichteten von langen Schlangen vor den Wahllokalen in Bagdad, aber auch in sunnitischen Regionen wie Mossul im Norden oder in der westirakischen Provinz Al Anbar.
Als aussichtsreiche Wahlbündnisse gelten die säkular auftretende Rechtsstaatsallianz von Ministerpräsident Nuri el Maliki, der der Bevölkerungsmehrheit der Schiiten angehört, die schiitisch-religiöse Nationalallianz und das schiitisch-sunnitische Bündnis Irakija um den früheren laizistischen Regierungschef Ijad Allawi. Allerdings dürfte keine dieser Gruppierungen die Regierungsmehrheit erreichen und damit allein den künftigen Ministerpräsidenten bestimmen.
Die Sunniten stellen mit fast 24 Prozent die größte Minderheit im Irak. Sie hatten den Urnengang 2005 boykottiert und sich so politisch isoliert. Um diesen Fehler zu korrigieren, riefen diesmal auch religiöse Führer zur Stimmabgabe auf. Eine hohe Beteiligung der Sunniten, die nach dem Sturz von Saddam Hussein im Frühjahr 2003 ihre Machtbasis verloren, gilt als entscheidend für die Suche nach einem gesellschaftlichen Konsens.
Hohes Sicherheitsaufgebot
Maliki forderte alle Parteien auf, das Wahlergebnis zu akzeptieren. Wer heute gewinne, könne schon morgen verlieren und umgekehrt, sagte Maliki bei seiner eigenen Stimmabgabe in der schwer bewachten "Grünen Zone" von Bagdad. Einer von Malikis Gegnern, der ehemalige Ministerpräsident Ijad Allawi, beklagte schon in den ersten Stunden Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung.
Pünktlich um 15.00 Uhr MEZ (17.00 Uhr Ortszeit) schlossen die Wahllokale, wie die Wahlkommission mitteilte. Noch anstehende Wähler sollten ihre Stimme noch abgeben dürfen. Fast 20 Millionen Iraker waren aufgerufen, unter 6218 Kandidaten 325 Parlamentsabgeordnete auszuwählen. Mit einem vorläufigen Wahlergebnis wird am 18. März gerechnet.
Allein in Bagdad sicherten rund 200.000 Sicherheitskräfte den Urnengang ab. Die irakische Wahlkommission kritisierte allerdings den aus ihrer Sicht mangelhaften Schutz für die Wähler. Trotz der Gewalt lockerten die Behörden ein Fahrverbot, mit dem Autobombenanschläge verhindert werden sollten. Außerdem blieben die Grenzen des Landes und die Flughäfen geschlossen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts