Proteste zum Jahrestag der Revolution Iran erklärt sich zum "Atomstaat"
11.02.2010, 10:22 UhrPräsident Ahmadinedschad ruft den Iran bei den Feiern zum Jahrestag der Islamischen Revolution zum "Atomstaat" aus. Nach offiziellen Angaben gehen "Millionen" Menschen auf die Straße, um die "Einheit der Nation" sichtbar zu machen. Tausende protestieren derweil gegen das Regime. Augenzeugen berichten von Schüssen.

Der Iran ist nun ein "Atomstaat", sagt Ahmadinedschad. Uran für eine Atombombe werde jedoch nicht benötigt.
(Foto: dpa)
Bei den offiziellen Feierlichkeiten zum 31. Jahrestag der Islamischen Revolution hat Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad sein Land zum "Atomstaat" ausgerufen. Iranische Wissenschaftler hätten erste Mengen Uran auf 20 Prozent angereichert, sagte der Staatschef vor hunderttausenden Anhängern in Teheran. Am Rande der Feiern lieferten sich Oppositionelle und Sicherheitskräfte teils gewalttätige Auseinandersetzungen.
Durch seine Fähigkeit, hoch angereichertes Uran zu produzieren, sei der Iran ein "Atomstaat" geworden, sagte Ahmadinedschad. Die ersten Chargen Uran mit einer Anreicherung auf 20 Prozent seien hergestellt. Der Iran habe sogar die Technik zur Uran-Anreicherung auf mehr als 80 Prozent - was unter Umständen für eine Atombombe reichen würde. Da sein Land diesen Anreicherungsgrad aber nicht benötige, werde dies auch nicht gemacht, sagte der Präsident. Außerdem kündigte er an, die Produktion von angereichertem Uran zu "verdreifachen".
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ging dagegen davon aus, dass der Iran "in einigen Tagen" die ersten Proben höher angereicherten Urans fertigstellen werde. Der Iran habe begonnen, leicht angereichertes Uran in den Zentrifugen der Atomanlage in Natans weiter aufzubereiten, hieß es nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP in einem internen Schreiben. Die Kapazitäten zur höheren Anreicherung seien aber begrenzt.
Der Iran benötigt das auf 20 Prozent angereicherte Uran nach eigenen Angaben für einen medizinischen Forschungsreaktor. Einen IAEA-Kompromissvorschlag zur Anreicherung im Ausland hatte die iranische Regierung abgelehnt. Die USA und ihre Verbündeten verdächtigen das Land, unter dem Vorwand eines zivilen Atomprogramms Nuklearwaffen zu entwickeln.
Tränengas und "Einheit der Nation"
Auf den vom staatlichen Fernsehen übertragenen Bildern war zu sehen, wie hunderttausende Menschen auf den Asadi-Platz (Freiheitsplatz) im Zentrum Teherans strömten. Nach Angaben des Staatsfernsehens gingen im ganzen Land "Millionen" Menschen auf die Straße, um die "Einheit der Nation" sichtbar zu machen.
Ungeachtet eines Demonstrationsverbots versammelten sich nach Angaben oppositioneller Internetseiten tausende Regierungsgegner auf den Straßen Teherans. Dabei kam es nach Berichten von Augenzeugen zu Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Die Polizei habe Tränengas eingesetzt und mehrere Demonstranten festgenommen.
"Sicherheitskräfte haben im Stadtzentrum von Teheran das Feuer auf Demonstranten eröffnet und setzen Tränengas ein", berichtete die oppositionelle Internetseite "Green Voice" unter Berufung auf Augenzeugen. Bei den Demonstranten, auf die geschossen worden sei, handle es sich um Anhänger des Oppositionsführers Mirhossein Mussawi
Chatami und Karubi attackiert
Auf dem Weg zu den offiziellen Feiern wurden die Oppositionspolitiker Mohammed Chatami und Mehdi Karubi von in Zivil gekleideten Männern attackiert, wie die regierungskritische Internetseite Rahesabs berichtete. Die Politiker blieben den Angaben zufolge unverletzt. Karubis Sohn Hossein sagte, mehrere Leibwächter seien verletzt worden.
Das Kräftemessen zwischen der Teheraner Führung und der Opposition hält bereits seit der umstrittenen Wiederwahl Ahmadinedschads im vergangenen Juni an. Bei den Protesten starben bisher dutzende Menschen, tausende Regierungskritiker kamen in Haft. Zwei Iraner wurden wegen ihrer Beteiligung an den Protesten hingerichtet, zehn weitere erwarten die Vollstreckung des Todesurteils.
Mit dem Jahrestag gedenkt die iranische Führung des Sturzes des Schahs von Persien im Februar 1979. Revolutionsführer Ayatollah Khomeini war damals aus dem Exil in Paris zurückgekehrt, am 11. Februar brach die bis dahin im Iran geltende Ordnung vollständig zusammen.
GMail gesperrt
Im Vorfeld der erwarteten Proteste hatte Teheran die Sperrung des auch bei iranischen Oppositionellen beliebten Google-E-Mail-Dienstes GMail angekündigt. Wie das "Wall Street Journal" berichtete, wolle die Regierung stattdessen einen iranischen E-Mail-Service aufbauen. Ziel sei, die nationale Internet-Technologie und "das Vertrauen zwischen Volk und Regierung" zu fördern, wurde ein iranischer Beamter zitiert.
GMail ist der Zeitung zufolge einer der populärsten westlichen E-Mail-Dienste im Iran. Internet-Kommunikation über Twitter und Soziale Netzwerke wie Facebook spielen eine wichtige Rolle vor allem für jüngere Regierungsgegner im Iran, um untereinander und mit dem Ausland in Verbindung zu bleiben und Informationen auszutauschen. So wurde auf Internetseiten der Opposition auch angekündigt, dass zu den Protesten am Rande des Jahrestages der islamischen Revolution landesweit Millionen Menschen erwartet werden.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa