Wahlbeteiligung umstritten Irans Machtkampf an der Urne
02.03.2012, 08:01 Uhr
Wahlhelferinnen in Teheran.
(Foto: REUTERS)
Im Iran sind 48 Millionen zum Gang an die Urnen aufgerufen. Das Votum vor allem über einen innenpolitischen Machtkampf, da wird schon die Frage nach der Wahlbeteiligung zu einem Politikum. Doch vom Ausgang könnte laut Beobachtern auch abhängen, ob Präsident Ahmadinedschad den internationalen Konflikt eskalieren lässt.
Bei der iranischen Parlamentswahl wird die Höhe der Wahlbeteiligung zum Politikum. Während die Führung die starke Beteiligung der Bürger feierte, rief die Opposition zum Boykott auf. In den ersten Stunden nach Öffnung der Wahllokale habe es einen regen Andrang gegeben, berichtete der Staatssender Irib. Augenzeugen in Teheran konnten dies nicht bestätigen. Die Menschen seien eher mit den Vorbereitungen für das persische Neujahrsfest am 21. März beschäftigt, sagten sie.
Die Wahlbeteiligung sei ein Zeichen des Widerstandes gegen Drohungen aus dem Ausland, erklärte Chamenei nach der Abgabe seiner Stimme. "Die Wahlbeteiligung wird eine klare Antwort auf die Drohungen der internationalen Imperialisten gegen den Iran sein", sagte der oberste Führer des Landes weiter. Die beste Antwort darauf komme aus dem täglichen Leben. "Die Wahlen sind eine gute Gelegenheit um zu zeigen, dass ihre Drohungen zwecklos sind."
Drei Jahre nach seiner von Fälschungsvorwürfen überschatteten Wiederwahl gilt der Urnengang als Popularitätstest für Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Gute Aussichten werden den sogenannten Prinzipalisten eingeräumt, die dem obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei nahestehen und Ahmadinedschad für das Scheitern der Wirtschaftsreformen verantwortlich machen. Die Wahl ist vor allem von innenpolitischer Bedeutung. Große Auswirkungen auf den Atomstreit werden nicht erwartet.
Um die 290 Mandate bewerben sich mehr als 3400 Kandidaten. Nach Angaben des Innenministeriums in Teheran sind 48,2 Millionen der insgesamt 74 Millionen Iraner stimmberechtigt. Die Wahllokale sollen regulär um 15.30 Uhr Mitteleuropäischer Zeit schließen. Eine Verlängerung der Öffnungszeiten um bis zu vier Stunden ist aber möglich. Wann Ergebnisse veröffentlicht werden, ließ das Ministerium zunächst offen. Zugleich wurde aber darauf hingewiesen, dass der Auszählungsprozess teilweise computergestützt sei.
Bei den Wahlen läuft alles auf eine Machtprobe zwischen Ahmadinedschads Fraktion und den Prinzipalisten hinaus. Die Konservativen um den ehemaligen Atom-Unterhändler Ali Laridschani stehen dem Klerus nahe. Sie werfen Ahmadinedschad nicht nur eine verfehlte Wirtschaftspolitik vor, sondern auch seine angebliche Lossagung vom islamischen System durch nationale Parolen.
"Mit Sanktionen Druck ausüben"
Der Grünen-Sicherheitsexperte Omid Nouripour warnte vor einer wachsenden Kriegsgefahr durch Überreaktionen des Westens gegenüber dem Mullah-Regime. Der Umgang mit Ahmadinedschad gleiche einem Geduldsspiel, sagte der in Teheran geborene sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. "Wir müssen weiter mit Sanktionen Druck ausüben, aber bei aller Bedrohung durch das iranische Atomprogramm: Wir haben noch Zeit."
"Die Gefahr eines Kriegs gegen den Iran ist so real wie noch nie", warnte Nouripour jedoch. Ahmadinedschad selbst habe ein Interesse an einer Eskalation des Konflikts mit der Staatengemeinschaft. Sein Zeitfenster schließe sich mit den Präsidentschaftswahlen 2013, bei denen er nicht mehr antreten dürfe. Die Zeit für einen Machtkampf mit Ajatollah Ali Chamenei, dem starken Mann im Iran, laufe deshalb ab. "Ahmadinedschad kann die Machtauseinandersetzung nur über die Eskalation des internationalen Konflikts entscheiden", warnte Nouripour.
Opposition ausgeschaltet
Die Reformer um den ehemaligen Präsidenten Mohammed Chatami können sich bei der Wahl keine großen Hoffnungen machen. Ihre Führer stehen unter Hausarrest und sind politisch praktisch ausgeschaltet. Oppositionelle wurden im Vorfeld der Wahl verhaftet, auch ließ das Regime öffentlich hinrichten. Die Wahl wird deshalb von Boykottaufrufen in sozialen Netzwerken begleitet.
Entscheidenden Einfluss auf den Konflikt des Landes mit der Weltgemeinschaft wird die Abstimmung nicht haben. Der Atomstreit, die damit verbundenen Sanktionen und ein möglicher Militäranschlag Israels auf die iranischen Atomanlagen sind sogenannte "Staatsangelegenheiten", bei denen das Parlament nichts zu sagen hat. Sie werden von Ajatollah Ali Chamenei und seinen engsten Beratern entschieden.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte dennoch die Hoffnung, dass der Iran nach den Parlamentswahlen endlich wieder zu substanziellen Gesprächen über alle offenen Fragen zu seinem Atomprogramm bereit ist. "Iran hat den Schlüssel zur Beendigung der Sanktionspolitik in der Hand, indem er auf eine nukleare Bewaffnung nachprüfbar verzichtet", sagte der Minister der Zeitung "Die Welt". "Ich hoffe, dass der Iran diesen Schlüssel nach der Wahl auch nutzen wird."
Quelle: ntv.de, rpe/jog/dpa