Politik

Trotz aller Verbote und Gewalt Irans Opposition bleibt wach

Die Opposition bleibt standhaft: Tausende Anhänger Mussawis ignorieren die Verbote und Drohungen der iranischen Regierung und gehen erneut auf die Straße, um gegen den Ausgang der Präsidentenwahl zu protestieren. Für Journalisten wird die Arbeit immer schwieriger - die Regierung untersagt Berichte über die Proteste und will ausländischen Medienvertretern die Akkreditierung entziehen.

(Foto: REUTERS)

Tausende Anhänger der Opposition haben erneut das staatliche Verbot ignoriert und sind aus Protest gegen den Ausgang der Präsidentenwahl auf die Straße gegangen. Augenzeugen zufolge strömten sie vor das Gebäude des staatlichen Fernsehsenders IRIB im Norden der iranischen Hauptstadt, das von Sondereinsatzkräften der Polizei abgeriegelt wurde.

Viele Demonstranten in Teheran trugen Armbänder und Schleifen in der grünen Parteifarbe des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mirhossein Mussawi. Auf einem der größeren Plätze auf dem Weg in den Norden waren Dutzende von Polizisten stationiert, flankiert von Kräften der gefürchteten Basidsch-Miliz. Eine größere Gruppe von Demonstranten passierte den Platz unbehelligt.

Wenige Stunden zuvor hatte Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad zehntausende Anhänger mobilisiert, die seine Wiederwahl im Zentrum feierten. Die Anhänger Ahmadinedschads skandierten mit Blick auf Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei Parolen wie: "Wir folgen dem Führer". Nach der Ankündigung dieser Versammlung hatte Mussawi seine Anhänger aufgefordert, auf ihre für denselben Platz geplante Demonstration zu verzichten. Mussawi hat eine Annullierung der Wahl gefordert und wirft der Regierung Wahlbetrug vor.

Regierung verbietet Berichterstattung

Als Reaktion auf die anhaltenden Proteste hat die iranische Regierung die Pressefreiheit für ausländische Medien drastisch eingeschränkt. "Kein Journalist hat die Erlaubnis, in der Stadt zu berichten, Filme zu drehen oder Bilder zu machen", sagte ein Vertreter des zuständigen Kulturministeriums in Teheran. Als Ergebnis gab es deshalb kaum aktuelle Bilder von den Protesten der Opposition.

Eine staatlich organisierte Gegendemonstration sollte die breit Unterstützung für Präsident Ahmadinedschad zeigen.

Eine staatlich organisierte Gegendemonstration sollte die breit Unterstützung für Präsident Ahmadinedschad zeigen.

(Foto: AP)

Von ihren Büros aus dürften Journalisten vorerst weiter berichten, erklärte das Kulturministerium. Zugleich kündigte ein Vertreter aber an, ausländischen Medienvertretern werde die Akkreditierung entzogen. Westliche Berichterstatter, darunter auch deutsche Journalisten, haben wiederholt über die schlechten Arbeitsbedingungen in Teheran geklagt. Die Bundesregierung hatte die Regierung in Teheran erst am Montag aufgefordert, die Pressefreiheit zu achten.

Obama appelliert

Nach Angaben von "Reporter ohne Grenzen" hat der Druck auch auf die Medien im Iran erheblich zugenommen. Wie die Organisation berichtet, werden im Land zunehmend Journalisten festgenommen, Zeitungen geschlossen und Webseiten gesperrt. Das Mobilfunknetz sei teilweise abgeschaltet worden. Seit dem 12. Juni seien elf iranische Journalisten verhaftet worden, fünf davon säßen immer noch in Haft. Von zehn weiteren Reportern fehle jede Spur.

Mussawi hatte seine Anhänger aufgerufen, zuhause zu bleiben, um sich nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Sie ignorierten den Aufruf aber, wie bereits am Tag zuvor.

Mussawi hatte seine Anhänger aufgerufen, zuhause zu bleiben, um sich nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Sie ignorierten den Aufruf aber, wie bereits am Tag zuvor.

(Foto: AP)

US-Präsident Barack Obama mahnte: "Die Stimme des Volkes sollte gehört, nicht unterdrückt werden." Dies sei seine grundsätzliche Überzeugung, sagte er in Washington. Angesichts der schwierigen Beziehungen zwischen dem Iran und den USA wolle er aber nicht den Eindruck erwecken, als ob er sich in die inneren Angelegenheiten der Islamischen Republik einmische.

Sieben Menschen getötet

Bei den bislang schwersten Protesten im Iran seit der Revolution vor 30 Jahren wurden nach Angaben des Staatsfernsehens am Montag sieben Menschen getötet. Der in Deutschland lebende iranische Exilpolitiker Mehran Barati-Novbari von der iranischen Republikanischen Union sagte dem RBB, es habe weit mehr Todesopfer gegeben als offiziell zugegeben. Landesweit seien die Namen von 22 Toten und 136 Verletzten bekannt.

Wächterrat überprüft Ergebnisse

Der Wächterrat als oberstes Kontrollorgan in Rechtsfragen ist mittlerweile zwar zu einer Überprüfung der Ergebnisse aus umstrittenen Wahlkreisen bereit, wie das Staatsfernsehen berichtete. Das für die Organisation der Präsidentschaftswahl zuständige Gremium wolle die Stimmen derjenigen Wahlurnen prüfen, die "Gegenstand von Einwänden" seien, sagte der Sprecher des Rats. Der geistliche Führer des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, hatte eine Prüfung der Ergebnisse auf Forderung Mussawis angeordnet. Die Neuauszählung könne auch veränderte Stimmenanteile ergeben. Neuwahlen schloss der Sprecher des Rats aber aus.

"Wir folgen dem Führer": Ajatollah ali Chamenei ist der mächtigste Mann im Staat.

"Wir folgen dem Führer": Ajatollah ali Chamenei ist der mächtigste Mann im Staat.

(Foto: dpa)

Der unterlegene Oppositionskandidat Mirhossein Mussawi fordert eine Wiederholung der Abstimmung. Er sei bereit, im Kampf gegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl "jeden Preis zu zahlen", erklärte er auf seiner Internet-Seite.

Proteste weiten sich aus

Die Proteste haben sich inzwischen auf zahlreiche Orte im ganzen Land ausgeweitet. Laut Nachrichtenagentur Isna nahm die Polizei allein in der südlichen Stadt Schiras etwa 100 Menschen bei Demonstrationen nahe der Universität fest. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte den Iran zu einem Ende der Polizeigewalt auf. "Auch die Sicherheitskräfte sind verantwortlich dafür, dass die Lage nicht weiter eskaliert", sagte er in Berlin.

Auch aus dem iranischen Regierungslager meldeten sich kritische Stimmen zu Wort. Parlamentspräsident Ali Laridschani verurteilte das Vorgehen der Polizei gegen Studenten und griff das Innenministerium an. "Was bedeutet das, wenn Studenten mitten in der Nacht in ihren Schlafräumen angegriffen werden?" sagte er laut Nachrichtenagentur Irna. Dafür trage das Innenministerium die Verantwortung. "Das Parlament wird dies sehr genau verfolgen."

Bundestag debattiert Lage im Iran

Der Bundestag debattiert am Mittwoch die Entwicklung im Iran. Die Aktuelle Stunde wurde von den Koalitionsfraktionen und von den Grünen beantragt, wie Unionsfraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen mitteilte. Angesichts des Vorwurfs massenhafter Wahlfälschung, der Niederschlagung demokratischer Proteste und zahlreicher Festnahmen müsse sich das Parlament mit der Situation im Land beschäftigen, erklärte Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Thea Dückert: "Im Iran droht ein neuer demokratischer Aufbruch niedergeknüppelt zu werden."

Ahmadinedschad ignoriert Proteste

Als sei nichts passiert: Präsident Ahmadinedschad beim Gipfel in Russland.

Als sei nichts passiert: Präsident Ahmadinedschad beim Gipfel in Russland.

(Foto: dpa)

Der den offiziellen Ergebnissen zufolge siegreiche Ahmadinedschad nahm unterdessen an einem Gipfeltreffen der Schwellenländer im russischen Jekaterinburg teil. Bei einer Pressekonferenz nahm er zu den Protesten in seinem Heimatland nicht Stellung, sondern griff die westliche Welt erneut scharf an.

Die Gipfelteilnehmer - darunter neben Iran und Russland auch China, Indien und Pakistan - gratulierten Ahmadinedschad zu dessen Wahlsieg. Der stellvertretende russische Außenminister Sergej Ryabkow sagte: "Die iranischen Wahlen sind eine innenpolitische Angelegenheit." Er begrüßte es zudem als symbolische Geste, dass der wiedergewählte Präsident als erste Auslandsreise Russland gewählt habe.

Quelle: ntv.de, tis/rts/AFP/dpa

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