Politik

Schlammschlacht beendet Iren wählen einen Dichter

Michael D. Higgins freut sich mit seiner Frau Sabina über den Wahlsieg.

Michael D. Higgins freut sich mit seiner Frau Sabina über den Wahlsieg.

(Foto: AP)

Die Iren wählen einen Politiker zum Präsidenten, der sich dafür einsetzen will, dass Geld und Reichtum weniger wichtig werden. Michael D. Higgins steht für eine Version der irischen Identität, die "sehr, sehr warm" ist. Schon an der Schlammschlacht im Wahlkampf hatte sich der 70-Jährige nicht beteiligt.

Der Labour-Politiker Michael D. Higgins wird der neunte Präsident der Republik Irland. Nach Angaben der Wahlkommission in Dublin erhielt Higgins 39,6 Prozent der Stimmen erster Präferenz. Auf den Plätzen zwei und drei folgten die Kandidaten Sean Gallagher und Martin McGuinness.

Sean Gallagher steht für ein modernes Irland, das durch die Finanzkrise einen erheblichen Dämpfer erhalten hat.

Sean Gallagher steht für ein modernes Irland, das durch die Finanzkrise einen erheblichen Dämpfer erhalten hat.

(Foto: dpa)

Um den endgültigen Sieg festzustellen, mussten die Stimmzettel mehrfach gezählt werden - das irische Wahlsystem lässt eine Gewichtung der Stimmen zu, so dass die Stimmen für von unterlegene Kandidaten je Gewichtung verteilt werden. Am Ende entfielen mehr als eine Million Stimmen auf Higgins und 620.000 Stimmen auf Gallagher.

Gallagher - ein Geschäftsmann und den Iren aus dem Fernsehen als Juror der Casting-Show "Dragon's Den" bekannt, in der es darum geht, Geschäftsideen zum Erfolg zu führen - wurde von 28,5 Prozent der Wähler auf den ersten Platz ihrer Rangliste gesetzt. Er sagte Higgins seine "volle Unterstützung" zu. Higgins habe seinem Land ein Leben lang gedient, "und ich weiß, er wird ein herausragender Präsident sein".

"Mehr Würde als Reichtum"

Higgins, oder "Michael D.", er auch genannt wird, war in den 1980er und 90er Jahren Bürgermeister der westirischen Stadt Galway, Abgeordneter in Dublin und Kulturminister. Als Politiker setzte er sich für die Stärkung von Frieden und Menschenrechten in Lateinamerika, Somalia und dem Irak ein und wurde für seinen Einsatz mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Daneben machte er sich als Dichter einen Namen mit der Veröffentlichung von drei Gedichtbänden.

Während der Wahlkampftour mit seiner Frau Sabina Coyne sagte Higgins, er strebe eine kreative Gesellschaft an, die mehr auf Würde als auf Reichtum basiere. Da die kommenden sieben Jahre weiterhin durch die Bewältigung der Wirtschaftskrise geprägt sein würden, wolle er eine Version der irischen Identität vertreten, die "sehr, sehr warm" sei. Irland erlebte in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre einen starken Aufschwung, der mit der Finanzkrise abrupt endete. In der Wahrnehmung vieler Iren sorgte der Aufschwung sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht für eine Modernisierung des Landes.

Martin McGuinnes wiederum verkörpert die schwierige Geschichte der grünen Insel.

Martin McGuinnes wiederum verkörpert die schwierige Geschichte der grünen Insel.

(Foto: AP)

Higgins ist der erste Mann in dem Amt seit über 20 Jahren. Von 1990 bis 1997 amtierte die linksliberale Politikerin Mary Robinson, die später UN-Hochkommissarin für Menschenrechte wurde und heute Ehrenpräsidentin von Oxfam ist. Ihre Nachfolgerin wurde die konservativ-liberale Nordirin Mary McAleese, die nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte.

Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 56 Prozent und damit deutlich unter der bei den Parlamentswahlen im März, als 70 Prozent der Iren abgestimmt hatten. Der irische Präsident hat vor allem repräsentative Aufgaben. Er soll ähnlich wie der deutsche Bundespräsident eine moralische Instanz sein; außerdem ernennt er den Premierminister oder löst das Parlament vor Neuwahlen auf. Anders als in Deutschland wird das irische Staatsoberhaupt jedoch direkt vom Volk gewählt.

Schmutziger Wahlkampf

Higgins hatte bereits während des Wahlkampfes lange Zeit in Führung gelegen, war dann aber von Gallagher überholt worden. Auf der Zielgeraden hatte der Sinn-Fein-Kandidat Martin McGuinness Vorwürfe aufgebracht, Gallagher sei in einen Spendenskandal um 5000 Euro verwickelt. Gallagher geriet daraufhin unter Druck.

Überhaupt war der Wahlkampf der insgesamt sieben Kandidaten um das den Einzug ins "Áras an Uachtaráin", den Amtssitz des irischen Präsidenten in Dublin, ungewöhnlich schmutzig. Unter den Bewerbern war auch Dana Rosemary Scallon, die 1970 für Irland den Eurovision Song Contest gewann. Sie erhielt nicht einmal 3 Prozent der Stimmen. Ihr dürfte vor allem geschadet haben, dass ihre Schwester dem gemeinsamen Bruder vorwarf, ihre Tochter in den 1980er Jahren missbraucht zu haben - dieser Bruder war Scallons Wahlkampfmanager. Scallons wies den Vorwurf im Fernsehen unter Tränen zurück, indem sie ein völlig unverständliches Statement verlas.

Immerhin 6,2 Prozent erreichte der schwule Bürgerrechtler David Norris, der ursprünglich sogar als Favorit gehandelt worden war, dann aber aus dem Wahlkampf ausstieg. Auch gegen ihn gab es Vorwürfe: Er hatte sich vor 15 Jahren bei der israelischen Regierung für einen früheren Partner eingesetzt haben, der wegen Missbrauchs eines Jugendlichen verurteilt worden war.

Mit 6,4 Prozent schnitt der Europa-Abgeordnete Gay Mitchell kaum besser ab, Kandidat der größten Regierungspartei Fine Gael. Auf den nordirischen Sinn-Féin-Politiker McGuinness entfielen 13,7 Prozent der Stimmen. Bis zu seiner Kandidatur in Irland war McGuinness stellvertretender Premierminister der überkonfessionellen Regierung von Nordirland. Seine Kandidatur sorgte für einige Unruhe: McGuinness war Kommandeur in der Untergrundorganisation IRA, deren politischer Arm Sinn Féin bis zur Auflösung Terrorgruppe war.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen