Außenpolitik bei Maischberger Ischinger rechnet nicht mit israelischem Iran-Angriff
17.04.2024, 06:18 Uhr Artikel anhören
CNN-Chefreporter Pleitgen (l.) glaubt nicht, dass der iranische Angriff erfolglos war.
Ex-Diplomat Wolfgang Ischinger geht nicht davon aus, dass Israel nach dem iranischen Luftangriff mit gleichen Waffen zurückschlägt. In der ARD-Talkshow "Maischberger" erklärt er, welche Reaktionen Israels er sich vorstellen kann.
Noch immer ist nicht klar, wie Israel auf den iranischen Luftangriff auf sein Staatsgebiet in der Nacht zum Sonntag reagieren will. "Der Worst Case ist noch nicht eingetreten", konstatiert Ex-Diplomat Wolfgang Ischinger in der ARD-Talkshow "Maischberger" am Dienstagabend. Dort diskutiert der ehemalige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz mit CNN-Chefreporter Frederik Pleitgen über die aktuelle außenpolitische Lage. "Was die Iraner produziert haben, ist ein noch größerer Bock als der, den der russische Präsident Putin mit seinem Angriff auf die Ukraine geschossen hat", sagt Ischinger.
Der israelische Ministerpräsident Netanjahu habe noch vor vier Tagen unter großem Druck wegen des Vorgehens im Gazastreifen gestanden. Durch den Angriff des Iran stünden nun alle westlichen Länder an der Seite Israels. Zur möglichen israelischen Reaktion auf den Angriff sagt der Diplomat: "Ich hoffe, dass man den Rat aus den USA und aus Europa annimmt und nicht überreagiert." Er könne sich Angriffe auf bestimmte Einrichtungen und iranische Milizen in Syrien und anderen Ländern in der Region vorstellen. "Leider wäre dadurch aber noch lange kein Frieden hergestellt", fügt Ischinger hinzu. Zwischen Israel und dem Iran sei eine Lage entstanden, die auf lange Sicht nicht heilbar sei.
Frederik Pleitgen glaubt nicht, dass Iran an einem offenen Krieg mit Israel oder den Vereinigten Staaten interessiert ist. "Ich glaube, die Iraner haben, nachdem der israelische Schlag auf das Botschaftsgebäude in Syrien stattgefunden hat, sich unter Zugzwang gesehen, dass sie danach etwas machen mussten, und zwar sagen mussten, dass sie jetzt zurückschlagen", meint der CNN-Journalist. Im Nahen Osten sei es besonders wichtig, nach einem Angriff Stärke zu zeigen.
In einem Punkt widerspricht Pleitgen Ischinger teilweise: "Ich glaube nicht, dass der Angriff für die Iraner so unerfolgreich war. Ich glaube, dass die in etwa das erreicht haben, was sie erreichen wollten. Sie wollten zeigen, dass sie militärische Stärke haben." Iran habe Israel mit Drohnen und Marschflugkörpern beschossen, und die hätten funktioniert, so Pleitgen. "Das zu zeigen ist ja beim Iran eine Sache, die interessant ist: Sie stehen seit Jahrzehnten unter Sanktionen und schaffen es, so ein Arsenal an den Start zu bringen." Zudem habe der Iran einige Länder in der Region bis zu 72 Stunden vorher über den geplanten Anschlag informiert. "Das ist ja kein Zufall, dass die amerikanische und die britische Luftwaffe schon in der Luft war, um die ganzen Dinger abzufangen."
Auch Israel wolle nach dem iranischen Angriff nicht, dass es zu einem großen Krieg komme. Dennoch müsse man Stärke zeigen. Und schließlich seien auch die Vereinigten Staaten nicht an einer Eskalation interessiert, weil sie viele Militärbasen im Nahen Osten hätten. Das Resümee von Pleitgen: "Ich habe nicht den Eindruck, dass die Israelis oder die Iraner wollen, dass das wirklich außer Kontrolle gerät."
"Das wollen übrigens die Chinesen auch nicht", fügt Ischinger hinzu.
Scholz in China
China werde in Zukunft bei Konflikten wie in Gaza oder in der Ukraine mitreden, ist Ischinger sich sicher. "Also wir müssen mit China rechnen", sagt der Diplomat. Ischinger war in der vergangenen Woche in die Volksrepublik China gereist, kurz vor Bundeskanzler Scholz. Der hatte am Dienstag seinen Besuch in China beendet und sich dabei auch mit Chinas Präsident Xi getroffen. Dabei hatte Scholz appelliert, Xi möge sich dafür einsetzen, dass der russische Präsident den blutigen Krieg in der Ukraine beendet.
Das sei schwierig, findet Pleitgen. China sei nicht daran interessiert, einen Konflikt zu beenden, an dessen Lösung die westlichen Regierungen gescheitert seien. Ein Grund dafür sei das freundschaftliche Verhältnis zwischen Xi und dem russischen Präsidenten Putin. "Xi ist eher ein Freund Putins als von uns", sagt der Journalist. Sollte China auf Putin einwirken, stelle sich zudem die Frage, ob der ausgehandelte Frieden dann eher im westlichen Sinne sei.
Dennoch habe Bundeskanzler Scholz mit seinem Appell recht, sagt Ischinger. Aber auch er denkt, Deutschland sollte die Erwartungen an China möglichst niedrig halten. China werde einen Partner nicht schwächen, den es in der langfristigen Auseinandersetzung mit den USA noch brauchen könne.
Dennoch denken Ischinger und Pleitgen über ein Ende des Krieges in der Ukraine nach. "Zurzeit muss man sagen: Die Ukrainer sind in allen Frontabschnitten unter Druck", sagt Pleitgen, der immer wieder in die Ukraine fliegt, um von dort für CNN zu berichten. Allerdings seien auch die russischen Geländegewinne sehr gering und kosteten viele Menschenleben auf russischer Seite. Was man jedoch sehe: Russland baue seine technische Überlegenheit immer weiter aus. So habe die russische Industrie gelernt, viel bessere Bomben zu bauen, die viel treffsicherer seien. "Man muss hier bei uns und auch in der Ukraine anerkennen, dass zum jetzigen Zeitpunkt Wladimir Putin den Krieg vielleicht nicht gewinnt, aber zumindest den Westen und die Ukraine ausmanövriert hat", so Pleitgen.
Um den Krieg in der Ukraine zu einem Ende zu bringen, setzt Ischinger auf Friedenskonferenzen wie jene, die im Juni in der Schweiz stattfinden wird. Offenbar habe Bundeskanzler Scholz versucht, den chinesischen Präsidenten von einer Teilnahme daran zu überzeugen. Das werde China laut Ischinger aber nur tun, wenn auch die russische Seite dort vertreten wäre. Ischinger: "Diese Vorbereitungskonferenz in der Schweiz macht großen Sinn, darauf sollte man viel Energie verwenden. Aber der nächste Schritt muss sein - und da können die Chinesen in der Tat helfen: In welcher Weise kann man die Russen mit ins Boot nehmen? Denn ganz ohne Verhandlungen mit den Russen wird es am Schluss nicht gehen."
Quelle: ntv.de