Bomben auf UN-Schule Israel rechtfertigt Beschuss
06.01.2009, 22:00 UhrDer erbitterte Kampf im Gazastreifen fordert immer mehr unschuldige Opfer: Beim bislang folgenschwersten israelischen Angriff seit Beginn der Militäroffensive gegen die radikal-islamische Hamas wurden nach palästinensischen Angaben mindestens 46 Menschen vor einer UN-Schule getötet. Die Armee drang derweil am elften Tag der Offensive noch tiefer in den Gazastreifen vor und nahm die Hamas weiter in die Zange. Die Zahl der Todesopfer unter den Palästinensern stieg auf 635, fast 3000 Menschen wurden verletzt. Auf israelischer Seite fielen nach offiziellen Angaben bislang sechs Soldaten, etwa 30 Soldaten erlitten Verletzungen.
Israel stellt Bedingungen
Angesichts wachsender internationaler Aufrufe zu einem Ende des Blutvergießens in Nahost nannte der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert derweil erste Bedingungen für eine Waffenruhe. Danach soll es eine Feuerpause nur bei verbindlichen Zusagen über einen Stopp der Raketenangriffe militanter Palästinenser sowie des Waffenschmuggels in den Gazastreifen geben. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy sah Chancen für eine baldige Waffenruhe im Gaza-Konflikt.
Sicherheitsrat berät
Der UN-Sicherheitsrat wollte in der Nacht zum Mittwoch erneut zusammentreffen, um über eine Resolution für eine Waffenruhe zu beraten. An den Verhandlungen wollte auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas teilnehmen. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hatte zuvor bei einem Gespräch mit Präsident Schimon Peres erneut für eine "humanitäre Feuerpause" geworben. Sie warnte Peres, dass Israel seine internationale Unterstützung aufs Spiel setze.
Sarkozy setzte derweil seine Vermittlungsbemühungen mit Gesprächen in Syrien und dem Libanon fort. Von Syrien forderte er, die Hamas dazu zu bringen, ihre Raketenangriffe auf Israel einzustellen. Am Abend wollte er zu Gesprächen mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in dem Sinai-Badeort Scharm el Scheich zurückkehren. Dies sei ein Anzeichen, dass erste Ansatzpunkte für einen Waffenstillstand gefunden worden seien, hieß es in Kreisen der französischen Delegation.
Hilfe für Zivilbevölkerung
Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte, die Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen mit humanitären Gütern, Lebensmitteln und medizinischen Hilfsgütern sicherzustellen. In Telefonaten mit dem türkischen Premierminister Recep Tayyip Erdogan und US-Präsident George W. Bush sei man sich einig gewesen, dass mit größtem Nachdruck an einer politischen und diplomatischen Lösung gearbeitet werden müsse, hieß es in einer Mitteilung.
Angesichts der sich immer weiter verschärfenden humanitären Lage im Gazastreifen will die EU mit der jordanischen Regierung gemeinsame Hilfslieferungen für die notleidende Zivilbevölkerung organisieren. Das teilte EU-Außenkommissarin Ferrero-Waldner am Dienstag nach einem Treffen der EU-Troika mit dem jordanischen König Abdullah in Amman mit.
Hamas feuert noch immer Raketen ab
Die israelische Luftwaffe flog am Dienstag nach Angaben eines Armeesprechers mehr als 50 Einsätze im Gazastreifen. Militante Palästinenser feuerten im Gegenzug 27 Raketen auf Israel ab. Die israelische Armee ist nach Angaben eines Sprechers allerdings noch nicht in die dicht bevölkerten Stadtgebiete eingedrungen, sondern hat vor allem weitere Gebiete besetzt, aus denen Raketen abgeschossen werden. Ein weiteres Ziel sei die Zerstörung der Hamas-Infrastruktur sowie die Festnahme von Hamas-Mitgliedern und deren Verhör.
Die Hamas drohte der israelischen Armee mit einem Heer von Selbstmordattentätern. "Es gibt Hunderte von Kämpfern, die bereit sind, sich selbst in die Luft zu sprengen, falls die zionistischen Kräfte in die Vororte von Gaza-Stadt eindringen", hieß es in einer Erklärung des Sprechers der militanten Al-Kassam-Brigaden, Abu Obeida.
Israel rechtfertigt Attacke auf Schule
Bei dem Angriff auf die Schule des UN-Hilfswerkes für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) im Flüchtlingslager Dschebalia wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza mehr als 150 Menschen verletzt. Andere Quellen sprechen von 30 Toten und 50 Verletzten. Nach Augenzeugenzeugenberichten wurde die Schule von Kampfflugzeugen und Panzern angegriffen, nachdem militante Palästinenser aus einem an die Schule grenzenden Gebiet mit Mörsergranaten auf israelische Truppen geschossen hatten. Granatsplitter hätten Löcher in Klassenzimmer gerissen. Schuhe und Kleidungsstücke lägen auf dem Boden verstreut. Überall gebe es Blutlachen. Fenster seien zersplittert.
In der Schule des UN-Hilfswerkes in dem Flüchtlingslager im nördlichen Gazastreifen hatten sich nach Angaben einer UN-Mitarbeiterin zwischen 800 und 1000 Menschen in Sicherheit gebracht. Die israelische Armee sei informiert gewesen, dass in einigen UN-Schulen Familien untergebracht worden seien, sagte der Sprecher der Gesundheitsbehörde. Außerdem habe auf dem Dach eine blaue Fahne der UNRWA geweht.
Israel rechtfertigte unterdessen seine Angriffe auf die Schule. Das Militär habe ersten Erkenntnissen zufolge Schüsse aus dem Gebäude, in dem Flüchtlinge Zuflucht suchten, erwidert, sagte Regierungssprecher Mark Regev. "Dann gab es Explosionen, die nicht im Zusammenhang mit unseren Geschossen standen", fuhr Regev in Anspielung auf möglicherweise dort gelagerte Munition fort. Auch in der Vergangenheit hätten bewaffnete Palästinensergruppen Gebäude des UN-Flüchtlingshilfswerks als Ausgangspunkt für Angriffe oder Waffenlager genutzt, sagte Regev. "Wir wissen nicht, ob dies der Fall war, wir prüfen das."
Bei Angriffen der Hamas auf israelische Truppen wurde nach Angaben eines Militärsprechers ein weiterer israelischer Soldat getötet. Vier Soldaten erlitten Verletzungen. Zuvor waren drei israelische Soldaten sowie ein Offizier der Fallschirmjäger in zwei unterschiedlichen Zwischenfällen jeweils durch eigene Truppen getötet worden.
Quelle: ntv.de