"Hamas nicht genug geschwächt" Israel will weiter bomben
14.07.2014, 16:50 Uhr
Die Hamas feuert Raketen, Israel antwortet mit Luftschlägen - so wird der Nahost-Konflikt erstmal weitergehen. Israel will bislang nicht mit der Hamas verhandeln. Noch sei die radikalislamische Organisation zu stark.
Frank-Walter Steinmeier ist seit Beginn der neuen Gaza-Konfrontation der erste Außenminister, der vor Ort einem Waffenstillstand den Weg zu ebnen sucht. Aber der deutsche Chefdiplomat scheint zu früh zu kommen, um schon konkrete Zusicherungen erreichen zu können. Israel hat die Mindestziele seiner vor einer Woche gestarteten Militäroffensive noch nicht erreicht. Und die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas strebt weiter nach einem zumindest symbolischen Erfolg, bevor sie sich auf schmerzhafte Zugeständnisse einlassen will.
"Zum jetzigen Zeitpunkt geht unsere Regierung auf Bemühungen um eine Feuerpause nicht ein, weil wir erst sicher sein wollen, dass der Wille der Hamas gebrochen wurde, in einem Jahr oder in einem halben neu anzufangen", sagte der liberale Finanzminister Jair Lapid. "Noch sind wir da nicht. Wenn es soweit ist, werden wir verhandeln."
Bisher bombardieren die israelischen Streitkräfte Ziele in Gaza meist aus der Luft, auch Kriegsschiffe feuern Raketen auf das Palästinensergebiet. Am Wochenende ging erstmals ein Sonderkommando der Marine an Land und griff eine Abschussrampe an. Bodentruppen und Panzerbrigaden stehen an der Grenze des Gazastreifens zum Einmarsch bereit. "Die Streitkräfte haben in Gaza zwar hart zugeschlagen, aber der militärische Flügel der Hamas wurde noch nicht genug geschwächt", analysierte im Radio Amos Jadlin, bis 2010 Chef des Militärgeheimdienstes.
Hamas will keine Feuerpause
Nur rund 50 der mehr als 170 Palästinenser, die bisher während der Offensive getötet wurden, seien Kämpfer der bewaffneten Gruppen dort, sagt Jadlin. Doch der Luftwaffengeneral a.D. kündigt an: "Jetzt beginnt eine neue Phase, in der die Hamas-Brigaden einen so hohen Preis bezahlen, dass uns dies eine bessere Position in Waffenstillstandsgesprächen verschafft und Hamas hindert, gestärkt aus dieser Konfrontation herauszukommen."
Trotz ihrer starken Verluste zeigt auch die Hamas bisher wenig Interesse an einer Feuerpause. Ihr Sprecher Muschar al-Masri bekräftigte: "Mindestbedingungen für einen Waffenstillstand sind die Beendigung jeglicher Aggression gegen unser Volk, ein Ende der Blockade und die Öffnung des Grenzübergangs Rafah" nach Ägypten. Bedingung sei zudem, dass die 2011 im Austausch für den entführten Soldaten Gilad Schalit freigelassenen Gefangenen, die in den letzten Wochen erneut festgenommen wurden, wieder auf freien Fuß kommen.
Nach Angaben eines hohen israelischen Offiziers, der im gegenwärtigen Konflikt einen Kommandoposten bekleidet, geht die Armee nach einer "Schmerzkarte" vor. Diese Karte sei nach der letzten großen Konfrontation mit der Hamas im November 2012 erstellt worden, und zeige auf, wo die Islamisten am ehesten verwundbar sind. "Die Zerstörung dieser Ziele wird sie schwächen und in einen möglichst langen Prozess der Nachkriegsrehabilitation zwingen", sagte der Kommandeur, der anonym bleiben wollte.
Ex-Geheimdienstchef Jadlin zeigt sich sicher: "Wenn das Ziel nur 'Ruhe für Ruhe' lautet, und die Abschreckung verstärkt werden sollte, können wir jetzt aufhören. Das ist erreicht." Aber wenn es darum gehe, den bewaffneten Arm der Hamas, die Essedin-al-Kassam-Brigaden sehr nachhaltig zu schwächen und seine Aussichten auf ein Wiedererstarken zu vereiteln - "dann gibt es keinen Zweifel, dass die Armee ihre Offensive fortsetzen muss".
Wenn Steinmeier in Jerusalem Justizministerin Zipi Livni und später Außenminister Avigdor Lieberman trifft, wird er danach abschätzen können, wie breit das Meinungsspektrum im israelischen Regierungskabinett ist - und wie groß der Spielraum für Kompromissformeln.
Quelle: ntv.de, vpe/AFP