Politik

Streit um Wehrpflicht als Stolperstein Israels Große Koalition platzt

Netanjahu (l.) und Mofas bei der Verkündung der neuen Koalition am 8. Mai.

Netanjahu (l.) und Mofas bei der Verkündung der neuen Koalition am 8. Mai.

(Foto: picture alliance / dpa)

Vor 70 Tagen ist in Israel eine Superregierung entstanden. Jetzt scheidet die Kadima wieder aus und die Große Koalition zerbricht. Hintergrund ist der Streit über die Wehrpflicht, die bei der Staatsgründung 1948 vereinbart worden war. Sie sieht vor, Ultraorthodoxe vom Armeedienst zu befreien. Dies gilt nicht mehr als zeitgemäß.

Grundsätzlich wollen die Orthodoxen auch weiterhin von der Wehrpflicht befreit bleiben.

Grundsätzlich wollen die Orthodoxen auch weiterhin von der Wehrpflicht befreit bleiben.

(Foto: AP)

Nur zwei Monate nach der Bildung einer Großen Koalition in Israel hat die Kadima-Partei den Rücktritt aus der Regierung angetreten. Die größte Fraktion im Parlament votierte mit 27 zu 3 Stimmen dafür, die Koalition mit dem rechtsorientierten Likud zu verlassen. Der Kadima-Vorsitzende Schaul Mofas wurde aufgefordert, umgehend in die Opposition zu gehen. Kadima ist seit den letzten Wahlen die größte Fraktion in der Knesset. Die Große Koalition mit dem Likudblock unter Premier Benjamin Netanjahu hat nur 70 Tage lang gehalten.

Zuvor waren Mofas' Empfehlungen für die Aufnahme strengreligiöser Männer in die Armee nicht angenommen worden. Mofas sagte: "Es tut mir leid mitzuteilen, dass ich keine Wahl habe, als die Koalition zu verlassen." Das sogenannte Tal-Gesetz, das den Orthodoxen nur eine beschränkte Wehrpflicht vorgeschrieben hatte, war vom Obersten Gericht als nicht verfassungsgerecht bezeichnet worden, weil es keine Gleichberechtigung für alle Bürger Israels vorgesehen hatte.

Es gab verschiedene Vorschläge, zu welchen Bedingungen auch Orthodoxe Juden eingezogen werden könnten. So sprach sich auch der Likud grundsätzlich dafür aus, alle Bürger des Staates zum Dienst an der Waffe oder zum Ersatzdienst zu verpflichten. Es gibt jedoch Streit um Details und die Umsetzung.

Proteste in einer Schule von Ultra-Orthodoxen gegen die Pläne der Wehrpflicht.

Proteste in einer Schule von Ultra-Orthodoxen gegen die Pläne der Wehrpflicht.

(Foto: dpa)

So wurde vorgeschlagen, Orthodoxe erst ab dem 23. Lebensjahr einzuziehen und nicht ab 18, wie bei den übrigen Bürgen. Doch das hätte zur Folge, dass sie im Zweifelsfall schon Familien gegründet hätten, die dann vom Militär mitfinanziert werden müssten. Grundsätzlich wollen die Orthodoxen, vertreten durch ihre Parteien, auch weiterhin von der Wehrpflicht wie auch von einem Zivildienst befreit bleiben.

Zur Zeit der Staatsgründung 1948 war vereinbart worden, ultraorthodoxe Juden vom Armeedienst zu befreien. Davon waren damals jedoch nur etwa 400 Religionsstudenten betroffen. Angesichts der hohen Geburtenraten in ultraorthodoxen Familien werden heute Zehntausende strengreligiöser Juden im Jahr vom Armeedienst befreit, der für Männer drei und für Frauen zwei Jahre dauert. Dies sorgt bei der säkularen Mehrheit für großen Zorn.

Netanjahu hätte zwar einen Bruch mit den Orthodoxen in Kauf nehmen können, ohne den Sturz seiner Regierung befürchten zu müssen, solange Kadima in der Regierung bleibt. Doch übereinstimmend erklären Kommentatoren, dass Netanjahu an die nächsten Wahlen denke, die spätestens im kommenden Jahr stattfinden müssen. Deshalb könne er es sich nicht leisten, sie jetzt zu verprellen, wenn sie als künftige Koalitionspartner nützlich sein könnten.

Für Kadima und ihren Vorsitzenden Schaul Mofas kann der Zickzackkurs das Aus bei den nächsten Wahlen bedeuten. Die Partei war von der früheren Vorsitzenden Zipi Livni heruntergewirtschaftet worden. Mofas versprach einen Wiederaufbau und erklärte, "niemals" mit Netanjahu zusammen gehen zu wollen, weil der ein "Lügner" sei. Wenig später, vor eineinhalb Monaten, als schon über vorgezogene Neuwahlen spekuliert wurde, schloss sich Mofas überraschend doch der Regierung an.

Mit seinem Austritt aus der "Großen Koalition" würde sich vor allem der Ruf von Kadima festigen, eine Partei ohne Konzept und ohne Regierungsfähigkeit zu sein.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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