Wachstum statt Sparkurs Italien will Stabilitätspakt aufweichen
30.04.2013, 10:57 Uhr
Enrico Letta: Von Europa überzeugt, vom Stabilitätspakt nicht so ganz.
(Foto: AP)
Offiziell hält Italiens neuer Ministerpräsident Letta am Sparkurs fest: Die EU müsse Wachstum fördern, ohne die Haushaltssanierungen zu gefährden, sagt er. Sein Industrieminister fordert allerdings bereits eine Aufweichung des Stabilitätspakts. Was Kanzlerin Merkel von der Idee hält, kann Letta sich noch heute anhören.
Italiens neue Regierung will den EU-Stabilitätspakt neu verhandeln. Industrieminister Flavio Zanonato sagte der Zeitung "La Repubblica", sein Land müsse eine glaubwürdige Wirtschaftspolitik verfolgen, um die eigene Reputation in Europa zu sichern und die Zinsaufschläge zu deutschen Staatsanleihen gering zu halten. Er fügte hinzu: "Wir sind aber auch daran interessiert, mit der EU über den Stabilitätspakt zu sprechen."
Rom geht es vor allem darum, dass Investitionen vom Pakt ausgenommen werden. Auch andere Länder wie Frankreich seien an Verhandlungen interessiert. Bereits am Montag hatte Italiens neuer Ministerpräsident Enrico Letta hatte gesagt, seine Koalitionsregierung werde in der EU auf eine Abkehr vom strikten Sparkurs und eine stärkere Förderung von Wachstum und Arbeitsplätzen dringen.
Wenn in Italien nur gespart werde, sterbe das Land, warnte Letta. Die EU müsse Wachstum fördern, ohne die Haushaltssanierungen zu gefährden. Zugleich bekannt er sich deutlich zur EU: "Ohne Europa verlieren wir alles", sagte er.
Heute Treffen mit Merkel in Berlin
Lettas Regierung hat erst am Montagabend das Vertrauensvotum des Parlaments bekommen, heute steht die nächste Vertrauensabstimmung an, und zwar in der zweiten Kammer, im Senat. Bereits kurz darauf will Letta nach Berlin fliegen, um sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zu treffen. Er will in den nächsten Tagen auch nach Brüssel und nach Paris reisen.
Auslöser der Debatte über eine Aufweichung des Stabilitätspaktes sind die hohen Defizitzahlen, die die EU-Staaten nach Brüssel melden. Danach verfehlt etwa Frankreich mit nun anvisierten 3,7 Prozent die bislang angepeilte Defizit-Obergrenze des Maastricht-Vertrages von drei Prozent.
Weidmann: Nicht Fehler von 2004 wiederholen
Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici forderte in der vergangenen Woche eine stärkere Betonung des Wachstums. Auch Deutschland müsse erkennen, dass Wachstum als Ausweg aus der Krise wichtig sei, sagte er. Bei der sozialistischen Regierungspartei ist der Unmut über die Merkels Politik groß.
Bundesbank-Präsident Weidmann reagierte mit Kritik auf den französischen Vorstoß. "Die Nicht-Programmländer sollten nicht die Fehler von 2004 wiederholen und den gestärkten Stabilitätspakt bei seiner ersten Bewährungsprobe zu flexibel auslegen."
Quelle: ntv.de, hvo/dpa/rts