"Pisa" und die Folgen Jährlich 80.000 ohne Abschluss
26.05.2002, 12:15 UhrDie Gerüchteküche über die Einzelergebnisse der Bundesländer in der so genannten "Pisa"-Studie brodelt. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat nun vor "aufgeregter Kaffeesatzlesereri" gewarnt. Deutschlands Schulen hätten "gravierendere Probleme, als auf Länder-Ranglisten wie im Fußball zu starren", sagte GEW-Chefin Eva-Maria Stange. Sie verwies darauf, dass jährlich 80.000 Jugendliche in Deutschland die Schule ohne einen Abschluss verließen.
Angesichts des miserablen deutschen Gesamtergebnisses bei dem Schultest, sei die Platzierung der Länder zweitrangig, sagte Stange. Deutschland habe grundsätzlich ein "massives Problem" bei der Förderung von Kindern aus sozial schwachen Elternhäusern und Migrantenfamilien. Die Bildungspolitik müsse hier nacharbeiten, so dass alle Jugendlichen die die Chance erhielten, einen Abschluss zu machen.
"Reine Erfindung"
Ein Bericht des Magazins "Focus" über das Abschneiden der Bundesländer beim "Pisa"-Test ist nach Auskunft von Jürgen Baumert, Leiter des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, "eine reine Erfindung". "Es gibt noch keine 'Pisa'-Länderergebnisse und auch keinen Zwischenbericht", sagte Baumert. Die Bundesländer-Ergebnisse sollen am 27. Juni vom Max-Planck-Institut und der Kultusministerkonferenz veröffentlicht werden. Der Bericht basiert auf Testergebnissen von rund 50.000 Schülerinnen und Schülern.
"Focus" hatte berichtet, bei dem Vergleich der Schulleistungen nach einzelnen Bundesländern lägen Schleswig-Holstein, Thüringen und Sachsen vorn. Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern hätten dagegen extrem schlecht abgeschnitten. Auch Bayern, Baden-Württemberger sowie Nordrhein-Westfalen seien bei dem Leistungsranking der Länder in einzelnen Bereichen abgeschlagen platziert.
Bei dem im Dezember veröffentlichen internationalen Schulleistungsvergleich "Pisa" war Deutschland nur auf einen der hinteren Plätze gekommen. Unter anderem hatte die "Pisa"-Studie gezeigt, dass das deutsche Schulsystem bei der Förderung von Kindern aus ärmeren und bildungsfernen Familien im weltweiten Vergleich besonders schlecht abschneidet.
Schulforscher erwarten daher, dass in Bundesländern mit einem hohen Anteil von Kindern aus derartigen Familien auch die Durchschnittsleitungen wesentlich schlechter ausfallen. Dies gilt vor allem für die Stadtstaaten, insbesondere für Bremen. "Focus" beruft sich bei seinen Angaben auf ein Zwischenergebnis der Studie, von dem das Magazin am Rande der Kultusministerkonferenz in dieser Woche erfahren haben will.
Am Freitag hatten sich die Kultusminister in Eisenach auf die Ausarbeitung bundesweit vergleichbarer Bildungsstandards geeinigt. Durch landesweite Orientierungs- und Vergleichsarbeiten soll künftig in allen Ländern der Leistungsstand der Schüler überprüft werden. Zudem einigten sich die Minister in Reaktion auf die Bluttat an einem Erfurter Gymnasium, wo ein 19-Jähriger 16 Menschen ermordet und sich selbst gerichtet hatte, auf weitere Maßnahmen zur Gewaltprävention an Schulen.
Quelle: ntv.de