Debatte über Pkw-Maut Jahresvignette für 100 Euro
08.10.2005, 14:38 UhrDrei Wochen nach der Bundestagswahl ist die Diskussion über eine Pkw-Maut wieder voll entbrannt. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Führung von Baden-Württemberg sprach sich dafür aus, eine Autobahnvignette für Pkw einzuführen und im Gegenzug die Mineralölsteuer zu senken. Die Jahresgebühr soll 100 Euro betragen. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) forderte, in einer großen Koalition das Autobahnnetz zu verkaufen, um die Bundeskasse zu sanieren.
Die Verkehrsminister von Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, Hans-Artur Bauckhage (FDP) und Karl-Heinz Daehre (CDU), zeigten sich offen für eine Maut. Ablehnend äußerten sich dagegen Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) und mehrere andere Länderminister. Auch die Automobilclubs ADAC und AvD protestierten. Die Verkehrsministerkonferenz von Bund und Ländern will am Mittwoch und Donnerstag in Rostock über die Pkw-Maut beraten.
Vor der Bundestagswahl hatten die Länder eine Pkw-Maut noch mit großer Mehrheit abgelehnt. Auch Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Daehre hatte sich dagegen ausgesprochen. Ein Ministeriumssprecher in Magdeburg räumte am Samstag allerdings ein: Eine Benutzungsgebühr für Autobahnen sei denkbar, wenn die Zusatzausgaben durch eine Senkung der Mineralöl-oder Kfz-Steuer ausgeglichen würden.
"Es ist richtig, dass man über die Einführung einer Pkw-Maut diskutiert", sagte Bauckhage der "Bild am Sonntag". Er schränkte zugleich ein: "In einer Situation, in der die Spritpreise explodieren, dürfen die Autofahrer nicht noch stärker belastet werden."
Dagegen erklärte das von der FDP geführte Verkehrsministerium in Niedersachsen: "Die vorgeschlagene Kompensation erscheint bei der derzeitigen Haushaltslage der Länder nicht realisierbar." Daher werde den Plänen für eine Pkw-Maut derzeit keine Chance eingeräumt.
Clement: Autobahnen verkaufen
Clement sagte der "Bild am Sonntag": "Wir sollten schrittweise die Privatisierung von Autobahnen verstärken. (...) Die Einnahmen würden uns einerseits endlich wieder Investitionen im öffentlichen Bereich ermöglichen. Andererseits können wir dadurch die Haushalte von Bund und Ländern konsolidieren." Die mögliche Privatisierung der Autobahnen war nach Informationen der Zeitung bereits Thema bei den Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD.
Nach einem Bericht der "Stuttgarter Nachrichten" soll es neben der Jahresvignette von 100 Euro auch Tages- oder Wochenvignetten geben. Bei etwa 45 Millionen potenziellen Nutzern allein aus Deutschland sollen Einnahmen von mehr als drei Milliarden Euro erzielt werden. Leichte Lastwagen, Busse und ausländische Nutzer sollen weitere 500 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr bringen.
"Das ist eine Geschichte, die von den Ländern kommt. Der Bundesverkehrsminister lehnt dies ganz entschieden ab", sagte eine Ministeriumssprecherin in Berlin. Auch der Verkehrsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Otto Ebnet (SPD), sprach sich gegen die Pläne aus - ebenso wie die nordrhein-westfälische Landesregierung.
"Der Autofahrer ist belastet genug über Steuern und Benzinpreise", sagte ein Sprecher des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) in München. Es sei sinnvoller, neue Fernstraßen über die Lkw-Maut und einen Teil der Mineralölsteuer zu finanzieren. Das bestehende Straßennetz sei durch Steuerabgaben der Autofahrer finanziert.
Die Einnahmen des Bundes aus der Lkw-Maut sind im September weiter gestiegen. "Mit 257 Millionen Euro haben wir im September die bislang höchsten Mauteinnahmen erzielt. Gegenüber dem Vormonat sind sie um 18 Millionen Euro gestiegen", sagte Stolpe der Tageszeitung "Die Welt". Das Ziel, im laufenden Jahr insgesamt drei Milliarden Euro durch die Autobahngebühr einzunehmen, könne erreicht werden.
Autoindustrie lehnt Pkw-Maut ab
Die deutsche Automobilindustrie lehnt eine Pkw-Maut auch in Form einer Vignette entschieden ab. "Bei aller grundsätzlichen Aufgeschlossenheit für eine nutzerbezogene Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur bleibt festzustellen, dass die Politik das dazu erforderliche Vertrauen verspielt hat, wie das Beispiel Lkw-Maut hinlänglich zeigt", teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) mit. Alles, was hier angedacht werde, erwecke den Verdacht, dass es nur um einen weiteren Versuch gehe, beim Autofahrer abzukassieren.
Quelle: ntv.de