Benedikt XVI. bereist Kroatien Juden kritisieren den Papst
05.06.2011, 19:12 Uhr
Papst Benedikt XVI. bei einem Gottesdienst an der Grabstätte von Kardinal Alojzije Stepinac.
(Foto: AP)
Papst Benedikt XVI. erntet bei seinem Kroatien-Besuch Kritik von Holocaust-Überlebenden. So würdigt der Papst den höchst umstrittenen Kardinal Stepinac. Bei einer Messe ruft Benedikt die Gläubigen derweil dazu auf, der fortschreitenden Säkularisierung Einhalt zu gebieten.
Überlebende des Holocausts haben den geplanten Besuch von Papst Benedikt XVI. am Grab des umstrittenen kroatischen Kardinals Alojzije Stepinac bedauert. Sie seien ebenso enttäuscht wie alle Opfer des mit den Nazis im Zweiten Weltkrieg verbündeten kroatischen Ustascha-Regimes, dass der Papst den Kardinal ehren wolle, erklärte die Amerikanische Versammlung der Holocaust-Überlebenden und ihrer Nachkommen. Sie bezeichnete Stepinac als "glühenden Anhänger der faschistischen Ustascha, deren Grausamkeiten selbst einige ihrer Nazi-Meister entsetzten".
Im Rahmen seines zweitägigen Aufenthalts in Kroatien wollte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Nachmittag Stepinacs Grab besuchen, der von seinem Vorgänger Johannes Paul II. selig gesprochen worden war. Historiker werfen Stepinac vor, als kroatisches Kirchenoberhaupt während des Zweiten Weltkriegs zur Verfolgung der Juden und Serben durch die Ustascha geschwiegen zu haben.
Nach dem Krieg wurde Stepinac von der kommunistischen Führung in Jugoslawien der Kollaboration mit dem Ustascha-Regime angeklagt und zu 16 Jahren Haft verurteilte, von denen er einen großen Teil unter Hausarrest verbrachte. Der Kardinal verneinte stets, mit den Faschisten kollaboriert zu haben. Die katholische Bevölkerungsmehrheit in seiner Heimat verehrt ihn als Helden und Märtyrer.
Benedikt nannte Stepinac vor seiner Reise einen Verteidiger "des wahren Humanismus". So sagte er, der Kardinal habe seine Stimme in "zwei verschiedenen Kämpfen gegen den damaligen Zeitgeist" erhoben. Die Holocaust-Überlebenden lobten ausdrücklich Benedikts Verurteilung der Ustascha. Doch liege er "falsch damit, einen ihrer führenden Fürsprecher zu ehren."
Kampf gegen Säkularisierung

Bei der Papstmesse in Zagreb herrschte großer Andrang..
(Foto: REUTERS)
Bei einer Messe auf der Pferderennbahn in Zagreb hat Benedikt unterdessen die christlichen Familien als Bollwerk gegen die zunehmende Verweltlichung in Europa bezeichnet. "Liebe Familien, seid mutig!", rief der Heilige Vater den rund 300.000 Gläubigen zu. Er forderte die Familien auf, sich für "die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens von der Zeugung bis zu seinem natürlichen Ende" einzusetzen.
"Als Ideal pflegt man den individuellen Wohlstand durch den Konsum materieller Güter sowie durch flüchtige Erlebnisse, wobei die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen und die tiefsten menschlichen Werte vernachlässigt werden", kritisierte das katholische Kirchenoberhaupt in seiner Predigt. "Die Liebe wird auf eine gefühlsselige Gemütsbewegung reduziert und auf die Befriedigung instinktiver Triebe." An die Gottesdienstbesucher appellierte Benedikt: "Wir sind dazu berufen, dieser Mentalität entgegenzuwirken!" Der kroatische Bischof Valter Zupan erntete heftigen Applaus mit seiner Forderung an die Regierung, Abtreibungen wieder per Gesetz zu verbieten.
EU-Beitritt wichtig
Bereits am Vortag hatte sich Benedikt für einen baldigen Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union ausgesprochen. Das Land könne in der EU dazu beitragen, "das unschätzbare gemeinsame Erbe an menschlichen und christlichen Werten zu bewahren und neu zu beleben". Die Geschichte Kroatiens könne eine Anregung zur "Reflexion für alle anderen Völker des Kontinents" sein. Als traditionsreiches Land könne Kroatien in der EU zu einer besseren Wertschätzung "der geistigen und kulturellen Schätze" Europas beitragen.
Die Beitrittsverhandlungen wurden im Jahr 2005 aufgenommen. Das Land strebt eine Mitgliedschaft ab dem kommenden Jahr an. Die Bevölkerung ist jedoch gespalten. Laut Umfragen lehnen 42 Prozent der Kroaten einen Beitritt ab.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa