Auf Obama-Linie Jung appelliert an Taliban
10.03.2009, 13:40 UhrBundesverteidigungsminister Franz Josef Jung hat an gemäßigte Taliban appelliert, am Wiederaufbau Afghanistans mitzuwirken. "Ich kann die Taliban nur auffordern, der Gewalt abzuschwören und sich zu engagieren für eine friedliche Entwicklung", sagte Jung bei einem Besuch des deutschen Feldlagers in Feisabad.
Auf das deutsche Feldlager in Kundus wurden derweil zwei Raketen abgefeuert. Es habe keine Verletzten gegeben, sagte Jungs Sprecher Thomas Rabe. Jung wird am Mittwochmorgen beim deutschen Wiederaufbauteam in Kundus erwartet.
In Masar-i-Scharif sagte Jung, die Entscheidung über mögliche Verhandlungen mit gemäßigten Taliban liege bei Afghanistan. Die Regierung von Präsident Hamid Karsai müsse bei Verhandlungen auch Sorge dafür tragen, dass sich eventuelle Taliban-Gesprächspartner von der Gewalt distanzierten.
Auf der Suche nach moderaten Taliban
US-Vizepräsident Joe Biden bekräftigte derweil bei einem Besuch in Brüssel, dass die Regierung in Washington offen für Gespräche mit gemäßigten Taliban in Afghanistan ist. Diese Taktik sei es "wert, geprüft zu werden", sagte Biden nach Gesprächen mit den Verbündeten im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Präsident Barack Obama hatte diese Möglichkeit am Wochenende in Erwägung gezogen. Ebenso wie Obama gestand Biden ein, dass die USA den Krieg in Afghanistan nicht gewinnen könnten. "Wir gewinnen diesen Krieg nicht, aber er ist alles andere als verloren", sagte der US-Vizepräsident.
Jung hatte am Montagabend bei einem Zwischenstopp in Usbekistan betont, Verhandlungen mit Taliban sollte es nur mit zweifelsfrei gewaltlosen Gruppen geben. "Ich halte es für zwingend notwendig, dass es sich um Gruppierungen handelt, die sich eindeutig von Gewalt distanzieren." Die Briten hätten schlechte Erfahrungen gemacht mit ihrem Versuch, in Südafghanistan mit gemäßigten Taliban zu verhandeln: "Taliban haben dann Kinder und Lehrer in Schulen umgebracht, die Englisch lernten."
Im Irak war es dem US-Militär zunächst ohne Einbindung der Regierung in Bagdad gelungen, einen Teil der sunnitischen Aufständischen für den Kampf gegen das Terrornetz Al-Kaida zu gewinnen. Die Lage stabilisierte sich daraufhin.
Taliban lehnen Gespräche ab
Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed sagte dazu dem "Spiegel ", Gesprächsangebote an die Aufständischen seien "sinnlos". Gemäßigte Taliban "gibt es nicht in Afghanistan". Es gebe "nur eine Taliban-Bewegung", und diese sei nicht zu Verhandlungen bereit. "Unsere Kämpfer und Kommandanten gehorchen den Befehlen von Mullah Omar und werden nicht verhandeln." Gespräche mit der Kabuler Regierung könne es nur geben, wenn diese zuerst die Bedingungen der Taliban nach einem Abzug der internationalen Truppen erfülle. Er wies die Vorstellungen zurück, die Taliban könnten nach einem Deal ihre Waffen niederlegen. "Wir werden unsere Waffen nie abgeben."
Jung sieht Fortschritte
Nach einem Besuch der Polizeiakademie in Masar-i-Scharif sagte Jung, die Polizeiausbildung komme voran. Zuvor hatte er mit einem symbolischen Spatenstich den Bau einer neuen Start- und Landebahn in Masar begonnen. Das Flugfeld am Feldlager der Bundeswehr sende einen "wichtigen Impuls für die Wirtschaft, aber auch für die Sicherheit Afghanistans" aus, sagte er zum Auftakt des 30 Millionen Euro teuren Projekts.
Mit Blick auf die Aufforderung der USA an die Verbündeten, in Afghanistan mehr Engagement zu zeigen, verwies Jung darauf, dass Deutschland seine Truppe in dem Land um 600 Soldaten aufstocken werde. Zugleich würden die Anstrengungen beim zivilen Aufbau deutlich verstärkt und die Ausgaben dafür von 80 auf 170 Millionen Euro in diesem Jahr erhöht. "Das ist ein Beitrag, der sich sehen lassen kann und von den amerikanischen Freunden sehr gewürdigt wird", sagte Jung.
Derzeit sind rund 3800 deutsche Soldaten im Einsatz für die internationale Afghanistan-Schutztruppe ISAF. Deutschland ist nach den USA und Großbritannien drittgrößter Truppensteller.
Quelle: ntv.de