Putins diplomatische Bombe KSE-Vertrag ausgesetzt
26.04.2007, 12:38 UhrDie NATO hat "ernste Besorgnis" über die von Russlands Präsident Wladimir Putin verkündete Aussetzung des Vertrages zur Begrenzung der konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE) geäußert. Der Generalsekretär der Allianz, Jaap de Hoop Scheffer, sagte nach einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag in Oslo, die NATO sehe sich mit einem De-Facto-Moratorium konfrontiert und sei davon "sehr enttäuscht".
Die NATO wolle aber trotzdem weiter mit Moskau über eine Verwirklichung des KSE-Vertrages unter Freunden und Partnern sprechen. Allerdings könne es die von Putin verlangte Ratifizierung dieses Vertrages nicht ohne Erfüllung bestimmter Bedingungen geben. Putin hatte seinen Schritt auch mit den US-Plänen für ein neues Raketenabwehrsystem in Osteuropa begründet.
Rice mahnt Vertragstreue an
US-Außenministerin Condoleezza Rice forderte Russland auf, den 1990 geschlossenen KSE-Vertrag weiterhin anzuwenden. "Das sind Vertragsverpflichtungen. Und es wird von jedem erwartet, dass er Vertragsverpflichtungen nachkommt", sagte sie nach Beratungen der NATO-Außenminister in der norwegischen Hauptstadt. Rice verteidigte die Pläne für die US-Raketenabwehr. "Wir hoffen weiterhin, dass Russland erkennen wird, dass wir uns in einer neuen Bedrohungslage befinden. Wir sind nicht in einer Situation, in der Russland und die USA Gegner sind", sagte sie. "Wir stehen gemeinsamen Bedrohungen gegenüber."
Putin hatte zuvor die einseitige Aussetzung des KSE-Vertrags in seiner Rede an die Nation angekündigt. "Ich erachte es für sinnvoll, dass Russland ein Moratorium in Bezug auf diesen Vertrag verhängt", sagte der Staatschef. Diese Entscheidung solle so lange gültig sein, bis "alle NATO-Mitglieder ohne Ausnahme" den Vertrag ebenfalls ratifiziert haben.
Putin begründete diesen Schritt unter anderem mit den US-Plänen für ein Raketenabwehrsystem in Osteuropa. "Unsere Partner verhalten sich, gelinde gesagt, inkorrekt", sagte Putin. Die NATO-Staaten seien dabei, mit ihren Militärstützpunkten näher an die russische Grenze heranzurücken. Der KSE-Vertrag war Ende 1990 zwischen der NATO und dem damaligen Warschauer Pakt mit dem Ziel geschlossen worden, die konventionellen Land- und Luftstreitkräfte in Europa zu verringern.
Nach russischen Angaben haben die neuen NATO-Mitglieder Estland, Lettland und Litauen, die früher Teil der Sowjetunion waren, den ursprünglichen KSE-Vertrag von 1990 noch nicht ratifiziert. Eine Neufassung des KSE-Vertrags war 1999 zwischen den NATO-Staaten und Russland unterzeichnet worden. Russland ratifizierte den Vertrag im Jahr 2004. Die NATO-Staaten binden ihre Ratifizierung an einen Abzug der russischen Truppen aus den früheren Sowjetrepubliken Moldawien und Georgien.
Kritik "völlig albern"
Rice hatte die russische Kritik am geplanten amerikanischen Raketenabwehrsystem im Vorfeld der NATO-Tagung in Oslo als "völlig albern" zurückgewiesen. Moskau selbst habe "tausende Sprengkörper stationiert". Auch werde die atomare Abschreckungskraft Russland nicht berührt. Die USA seien an einem offenen Dialog mit Moskau auf der Basis "realistischer Annahmen" interessiert.
Bei der zweitägigen Beratung in Oslo nimmt Lawrow als Gast an einigen Besprechungen teil. Die Minister der Allianz wollen neben dem auch in der NATO umstrittenen Raketenabwehrsystem über den Konflikt in Afghanistan und die Lage im Kosovo sprechen. Deutschland wird durch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier vertreten.
Quelle: ntv.de