Regieren auf Pump Kabinett beschließt Schulden
24.06.2009, 08:44 UhrLaut Etatentwurf steigt die Neuverschuldung des Bundes 2010 auf 86,1 Milliarden Euro. Die Nettokreditaufnahme könnte sogar mehr als 100 Milliarden Euro betragen. Die Bundesregierung nennt diese Rekordschulden unumgänglich. Vizekanzler Steinmeier hält Steuersenkungen für "Irrsinn". Die Union streitet derweil um den Zeitpunkt für die von ihr angekündigten Entlastungen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat den dramatischen Anstieg der Neuverschuldung als unumgänglich verteidigt. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung um sechs Prozent im laufenden Jahr sei "nicht nur ein quantitativer Sprung, sondern auch ein qualitativer", sagte Steinbrück nach dem Kabinettsbeschluss zum Etatentwurf 2010.
Dem Etatentwurf zufolge steigt die Neuverschuldung des Bundes von dem bereits für 2009 vorgesehenen bisherigen Höchstwert von 47,6 Milliarden auf 86,1 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Einschließlich zusätzlicher Belastungen aus Nebenhaushalten könnte die Nettokreditaufnahme 2010 sogar mehr als 100 Milliarden Euro betragen. Dabei geht es um Kredite des Investitions- und Tilgungsfonds sowie des Bankenrettungsfonds (SoFFin). "Wir mussten gegensteuern", rechtfertigte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm die hohe Kreditaufnahme.
Laut Etatentwurf sind im nächsten Jahr allein 41,6 Milliarden Euro erforderlich, um Steuerausfälle auszugleichen. Dabei geht es neben konjunkturbedingten Mindereinnahmen auch um beschlossene Steuersenkungen von mehr als 20 Milliarden Euro. Die mittelfristige Finanzplanung des Bundes sieht vor, von 2009 bis 2013 rund 310 Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen.
Weitere Risiken

Der bisherige Schuldenrekord aus dem Jahr 1996 von rund 40 Mrd Euro wird um mehr als das Doppelte übertroffen.
(Foto: dpa)
Steinbrück verwies auch auf weitere Haushaltsrisiken durch möglicherweise steigende Zinsen. Zudem sind in der mittelfristigen Finanzplanung eine geplante Absenkung der Neuverschuldung um mehr als 18 Milliarden Euro sowie Ausgaben von 2,4 Milliarden Euro für zusätzliche Ausgaben im Hochschulbereich bislang nur durch sogenannte globale Minderausgaben gedeckt, deren Finanzierung aber völlig offen ist.
Angesichts der Haushaltslage übte Steinbrück deutliche Kritik an den Versprechen von Union und FDP, nach der Bundestagswahl die Steuern in erheblichem Umfang zu senken. "Vor diesem Hintergrund vollmundige Steuersenkungsversprechen abzugeben, ist sehr waghalsig", sagte er: "Es wird von mir mit Blick auf Steuersenkungen keinerlei Versprechen geben." Das ganze Ausmaß der Krise sei offensichtlich "bei einigen noch nicht angekommen".
"Irrsinn", "unglaubwürdig"
SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bezeichnete die Steuersenkungs-Ankündigungen der Union als "Irrsinn". Angesichts von massiv wegbrechenden Steuereinnahmen seien solche Versprechen nichts wert. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, nannte die Steuersenkungspläne von Union und FDP "unglaubwürdig". Er schlug stattdessen zur Sanierung der Staatsfinanzen eine weitere Anhebung der Mehrwertsteuer vor.
Zu solchen Forderungen wollte Steinbrück sich nicht äußern. Es gelte, die richtige Balance in der Steuerpolitik zu finden, sagte der Finanzminister lediglich. So seien die bislang von der Großen Koalition bereits beschlossenen Steuerentlastungen um mehr als 20 Milliarden Euro richtig gewesen.
Derweil streiten CDU und CSU weiter über die Frage, ob im gemeinsamen Wahlprogramm ein konkreter Termin für die anvisierten Steuersenkungen genannt werden soll. Die CSU fordert dies, die CDU ist dagegen. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, die Forderungen der Schwesterpartei seien "völlig überflüssig". CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer beharrte auf der Nennung eines Datums, signalisierte aber gleichzeitig Kompromissbereitschaft. Er weigere sich, "das Gespräch um Jahreszahlen ins Zentrum der steuerpolitischen Auseinandersetzung zu stellen", sagte Ramsauer dem "Hamburger Abendblatt".
Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa