Parlamentswahl im Iran Kampf der Konservativen
02.03.2012, 15:08 UhrDie Wahl im Iran läuft auf einen Kampf zwischen zwei Gruppen von Erzkonservativen hinaus. Die Anhänger des geistlichen Oberhaupts Chamenei werden sich wohl gegen die von Präsident Ahmadinedschad durchsetzen. Dennoch dürften die Reformer wieder stärker in die politischen Entscheidungen einbezogen werden, meint Iran-Experte Posch.

Kandidaten mit oppositionellen Ideen schaffen es erst gar nicht auf die Wählerlisten.
(Foto: REUTERS)
Die Iraner sind aufgerufen, ihr Parlament neu zu wählen und den Machthabern in Teheran ist viel daran gelegen, auch künftig den Anschein einer demokratischen Legitimierung zu wahren. Das Regime strebt eine Wahlbeteiligung von 60 Prozent an.
Die Führung in Teheran rief die Bevölkerung auf, durch eine massive Beteiligung an den Wahlen den "Feinden des Landes" zu zeigen, dass sie fest hinter dem System stehen. Wie bei früheren Wahlen hat der von den Konservativen kontrollierte Wächterrat zahlreiche Kandidaten ausgeschlossen. Der aus Klerikern und Juristen gebildete Rat lehnte auch viele Kandidaten des Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad ab. Damit musste der Präsident bei der Wahl auf jüngere und kaum bekannte politische Bewerber zurückgreifen.
Ahmadinedschad ist gescheitert
Für den Iran-Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik, Walter Posch, kommt die Ablehnung der Ahmadinedschad-Kandidaten nicht überraschend. "Ahmadinedschad und die Seinen haben versucht, das System zu dominieren", sagte er n-tv.de. "Er hat es der Rechten überlassen, die Reformkräfte auszuschalten und wollte sich selbst an die Spitze des Systems setzen. Das ist gescheitert, für diese Ausgangslage hat er noch relativ viele Kandidaten durchgebracht."
- Das Parlament umfasst 290 Sitze. Die Abgeordneten haben auf die Atom-, Öl- und Außenpolitik wenig Einfluss. In wirtschaftlichen Fragen ist das Mitspracherecht größer.
- Es handelt sich um die erste Abstimmung seit der Präsidentenwahl 2009, nach der es acht Monate lang zu Ausschreitungen kam.
- Die Kandidaten werden von staatlichen Stellen und dem aus Klerikern und Juristen zusammengesetzten Wächterrat überprüft.
- Die Kandidaten sind nicht streng an die Parteien gebunden, einige werden von mehr als einer Gruppe unterstützt. Zudem gibt es keine ausführlichen Parteiprogramme.
- Von den 74 Millionen Iranern sind etwa 48 Millionen wahlberechtigt. Die Stimmen werden per Hand ausgezählt.
Der Präsident ist selbst kein Kleriker und hat versucht, mit einer populistischen Politik eine Machtbasis in der Bevölkerung aufzubauen. Posch schätzt, dass Ahmadinedschad noch immer auf zehn bis zwanzig Prozent der Stimmen zählen kann – "nicht unbedingt in den großen Städten, aber auf dem Land ist er stärker".
3444 Kandidaten hat der Wächterrat am Ende zugelassen. Die Männer und Frauen mussten über 30 Jahre und im Besitz eines Universitätsdiploms sein. Sie müssen aber auch das System und das geistliche Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei anerkennen. Die Ideologie sei ja klar vorgegeben, so Posch. Allerdings habe auch der Wächterrat ein wenig vom Schrecken früherer Jahre verloren, weil er beispielsweise Kandidaten der Reformkräfte mit lächerlichen Argumenten blockiert habe.
Reformer außen vor
Seit der umstrittenen Wiederwahl von Ahmadinedschad 2009 ist die Reformbewegung weitgehend vom politischen Leben ausgeschlossen. Ihre Anführer Mir-Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi stehen unter Hausarrest, auch der frühere Präsident Mohammed Chatami äußert sich nur noch selten. Zuletzt rief er zum Wahlboykott auf.
Gerade berichtete die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, dass aus Sorge vor erneuten Protesten das Vorgehen gegen die Opposition noch einmal verschärft wurde. "In den vergangenen Monaten mussten wir im Iran eine regelrechte Verhaftungswelle beobachten", erklärte Iran-Experte von Amnesty Dieter Karg. Demnach wurden zahlreiche kritische Journalisten, Studenten, Politiker und Anwälte verhaftet.
Der Iran ziehe die Grenzen des "politisch und sozial akzeptierten Verhaltens" immer enger. "Jeder, der diese Grenzen überschreitet, steht mit einem Fuß im Gefängnis", erklärte Karg. Vor allem die Cyber-Polizei komme immer restriktiver zum Einsatz. SWP-Experte Posch hatte erwartet, dass das Regime vor den Wahlen die Daumenschrauben anziehen würde. Er sieht in den zunehmenden Verfolgungen aber auch ein Zeichen der Schwäche.
Kritik von allen Seiten

Ayatollah Ali Chamenei nach der Stimmabgabe.
(Foto: Reuters)
Das System von blinder Gewalt und permanenter Einschüchterung funktioniere nicht mehr. Durch die verstärkten Kontrollen des Internets sind inzwischen zahlreiche Webseiten nicht mehr zugänglich. "Die Beschwerden häufen sich, auch von konservativen, rechtspopulistischen und Hizbollah-Gruppen. Die sagen, so geht es auch nicht, dass man sich überhaupt nicht mehr äußern kann. Die Frustration über den Cyber-War geht weit über die Reformbewegung hinaus und kommt im Regime an", bemerkt Posch.
Der Atomstreit und die Gefahr eines Krieges spielen bei der Wahl nur indirekt eine Rolle. Die wegen des umstrittenen Atomprogramms verhängten Sanktionen, die sich zunehmend auf das tägliche Leben der Iraner auswirken, waren kaum ein Thema. Laut Posch spürt inzwischen jedoch die eher pro-westlich eingestellte Mittelschicht massiv die Auswirkungen der Sanktionen. Der Regierung sei es gelungen, die "Schuld an der schwierigen wirtschaftlichen Lage auf den Westen zu lenken", obwohl vieles hausgemacht sei.
Deshalb seien bei der Wahl kaum wirkliche Überraschungen zu erwarten. Trotzdem gibt es einige Fragezeichen. So zum Beispiel wie stark das Bündnis um den erzkonservativen Geistlichen Ayatollah Mohammed Taghi Mesbah-Jasdi abschneiden wird, der zu spät den Absprung aus dem Lager Ahmadineschads geschafft hat. Seine Anhänger werden vor allem versuchen, die Wiederwahl Parlamentspräsident Laridschanis, der für Qom kandidiert, zu verhindern. Sollte ihnen das gelingen, wäre das eine schwere Niederlage für die gemäßigten Konservativen.
Jasdi steht für eine extrem strenge Auslegung des Islam, ohne jeden Raum für Demokratie, Freiheit oder Menschenrechte. Einige Experten befürchten ein Erstarken Jasdis, Posch rechnet nur mit einem Ergebnis unter "ferner liefen".
Präsidentenwahl fest im Blick
Die Kernfrage wird aber sein, wie stark die Fraktion Ahmadinedschads abschneiden wird, da davon abhängt, ob aus ihren Reihen ein zukünftiger Präsidentschaftskandidat kommen kann. Der Grünen-Sicherheitsexperte Omid Nouripour warnte jedoch davor, dass Ahmadinedschad in dem innenpolitischen Konflikt die außenpolitische Karte spielen könnte.
Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 dürfe er nicht mehr antreten. Deshalb müsse er im Machtkampf mit Chamenei vorher punkten. "Ahmadinedschad kann die Machtauseinandersetzung nur über die Eskalation des internationalen Konflikts entscheiden", warnte Nouripour. Dafür reiche Ahmadinedschad womöglich ein Anlass, um zum Beispiel die wichtigste Öl-Transportroute über das Meer, die Straße von Hormus, zu schließen.
So läuft die Wahl auf einen Zweikampf zwischen den Prinzipalisten um den früheren Atom-Chefunterhändler Ali Laridschani, die Revolutionsführer Chamenei nahestehen, und den populistisch-militaristischen Ahmadinedschad-Anhängern hinaus. Den moderaten Rechten bleiben nur zwei Möglichkeiten, so Posch: "Entweder sie streben ein vollkommen autoritäres System an. Das hat im Iran nur beim Schah und sonst nie funktioniert. Oder sie müssen sich mit den Reformern wieder versöhnen. Die Tür ist immer einen Spalt weit offen geblieben und sie wird noch weiter aufgehen müssen."
Quelle: ntv.de, mit AFP