Politik

FBI und US-Marine verhandeln Kapitän in Geiselhaft

Unbeeindruckt von einem amerikanischen Kriegsschiff halten Piraten vor der Küste Somalias weiter den US-Kapitän des Containerschiffes "Maersk Alabama" in einem kleinen Rettungsboot als Geisel. "Die Sicherheit des Kapitäns hat höchste Priorität", sagte ein Sprecher der Reederei Maersk. Oberstes Ziel sei ein "friedliches Ende". Wie es weitergehen soll, sagte er allerdings nicht.

Zugleich hieß es, das Containerschiff "Maersk Alabama" sei von der somalischen Küste auf dem Weg nach Kenia. Es werde in etwa 15 Stunden im Hafen von Mombasa erwartet.

FBI schaltet sich ein

Die USA bemühen sich derweil um die Freilassung von Phillips. An den Verhandlungen sind die US-Marine und die Bundespolizei FBI beteiligt. Auch Außenministerin Hillary Clinton verfolgt die Entführung vor der ostafrikanischen Küste nach eigenen Worten sehr genau.

Zugleich berichtete Clinton von einer neuen Entwicklung in dem Fall: Demnach ist den Piraten, die sich mit dem Kapitän auf ein Rettungsboot abgesetzt haben, offensichtlich das Benzin ausgegangen. Das FBI in Washington bestätigte, neben der Marine an den Verhandlungen voll beteiligt zu sein.

Die Piraten hatten ursprünglich die "Maersk Alabama" in ihrer Gewalt gebracht, waren dann aber am Mittwoch nach mehreren Stunden von der amerikanischen Besatzung von Bord vertrieben worden. Dabei gelang es den Piraten allerdings, Kapitän Richard Phillips in ihre Gewalt bringen und in ein Beiboot zu verschleppen. Nach Informationen des britischen Rundfunksenders BBC haben die Piraten an Bord des Beibootes Wasser und Lebensmittel für eine Woche.

Kriegsschiff bezieht Stellung

Am frühen Donnerstag traf dann das amerikanische Kriegsschiff "USS Bainbridge" ein und bezog in der Nähe des Containerschiffs und des Rettungsboots Position. Es handle sich um vier Piraten, erklärte der Zweite Offizier der "Maersk Alabama", Ken Quinn, in einem Telefongespräch mit dem Nachrichtensender CNN. Die Seeräuber verlangten Lösegeld für den Schiffsführer.

Ein Sprecher der Reederei Maersk betonte, nun, da der Zerstörer vor Ort sei, sei die Navy für die Verhandlungen mit den Piraten zuständig. Zuvor hatte Quinn erklärt, die Besatzung stehe mit dem Kapitän und den Seeräubern per Funk in Verbindung. "Wir bieten ihnen an, was wir können. Aber es läuft nicht so gut."

Sechster Überfall in einer Woche

Die Entführung des 155 Meter langen Containerschiffes war der sechste Überfall von Piraten innerhalb einer Woche vor der somalischen Küste - ungeachtet aller Sicherheitsvorkehrungen und Patrouillen internationaler Marineeinheiten. Die "Maersk Alabama" ist ein 17.000-Tonnen-Schiff. Nach Reederei-Angaben hatte der Frachter 400 Container mit Nahrungsmitteln an Bord, unter anderem für das UN-Welternährungsprogramm WFP. Das Schiff war im Liniendienst auf der Fahrt in den kenianischen Hafen Mombasa.

Ungewiss ist auch weiterhin das Schicksal der fünf Deutschen, die sich zusammen mit 19 anderen Seeleuten auf dem von Piraten gekaperten Frachter "Hansa Stavanger" befinden. Das vor einigen Tagen im Indischen Ozean entführte Containerschiff ist nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" nicht mehr auf hoher See. Es habe in der Bucht Harardere unmittelbar vor dem somalischen Festland Anker geworfen. Piraten bewachten den Frachter der Hamburger Reederei "Leonhardt und Blumberg". Von offizieller Seite war in Berlin zu dem Bericht keine Stellungnahme zu erhalten.

Gewaltsame Befreiung erwogen

Bei den deutschen Staatsbürgern handelt es sich nach Angaben des "Spiegel" um den Kapitän und vier leitende Schiffsoffiziere. Der Frachter war am vergangenen Samstag von den Seeräubern geentert und - offenbar beobachtet von mehreren Kriegsschiffen - Richtung Somalia gefahren. Aus sicherer Entfernung werde der Frachter nun von der Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern" beobachtet.

Das Magazin berichtete weiter, dass der Krisenstab im Auswärtigen Amt zunächst eine gewaltsame Befreiung der Besatzung erwogen habe. Außer den Deutschen sind weitere 19 Personen aus verschiedenen Nationen an Bord. Ferner soll ein Vorauskommando der Spezialeinheit GSG 9 der Bundespolizei bereits auf dem Weg nach Kenia sein. Neben dem deutschen Frachter liegen offenbar weitere Schiffe in der Bucht, für die Lösegeld verlangt werde. Laut "Spiegel" haben sich die Piraten am vergangenen Dienstag telefonisch bei der Hamburger Reederei gemeldet und ein Lösegeld in Millionenhöhe gefordert.

Der Piraten-Experte Michael Stehr vom Deutschen Marine Institut in Bonn sieht in der Verlagerung der Piratenüberfälle weg von der eigentlichen somalischen Küste und dem Golf von Aden einen Erfolg der Patrouillen internationale Kriegsschiffe. "Nun müsste man dieses Modell übertragen auf die Hauptschifffahrtslinie Asien-Kapstadt, die zugleich auch die Regionalschifffahrtslinie Ostafrika ist", sagte er dem Rundfunksender MDR. Als Alternative biete sich eine "ganz enge See-Blockade der somalischen Piratennester" an.

Piraten an Kenia übergeben

Am Mittwoch hatte die Bundeswehr den kenianischen Behörden sieben mutmaßliche Piraten übergeben, die einen deutschen Militärtanker angegriffen hatten. In der kenianischen Hafenstadt Mombasa habe der letzte Pirat die deutsche Fregatte "Rheinland-Pfalz" verlassen, erklärte das Auswärtige Amt. Die Übergabe der Verdächtigen an Kenia war umstritten, da die Männer mit dem Bundeswehr-Tanker "Spessart" ein deutsches Schiff angegriffen hatten und es daher auch gewichtige Argumente für einen Prozess in Deutschland gab.

Nach Ansicht des SPD-Verteidigungsexperten Rainer Arnold sollten Piraten nach Angriffen auf deutsche Schiffe künftig auch hierzulande vor Gericht gestellt werden. "Wenn wir uns entscheiden, Piraterie mit der Bundeswehr zu bekämpfen, dann darf man am Ende auch keine Scheu haben, bei Verletzung deutscher Rechtsgüter den deutschen Rechtsstaat zum Greifen zu bringen", sagte Arnold in Berlin. Gerade das Marineschiff "Spessart", dessen Angreifer am Mittwoch an Kenia überstellt worden waren, sei "sehr deutlich ein deutsches Rechtsgut".

Quelle: ntv.de, mit AFP

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