Auftritt in Den Haag Karadzic wundert sich
31.07.2008, 14:47 UhrDer ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic hat sich bei seinem ersten Auftritt vor dem UN-Tribunal noch nicht zur Anklage wegen Völkermords und Kriegsverbrechen geäußert. In der mit Spannung erwarteten Sitzung verwies er auf die Ankündigung von Chefankläger Serge Brammertz, dass die Anklage noch überarbeitet wird. Erst dann wolle er zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Der Richter berief eine weitere Sitzung für den 29. August ein.
Einen Tag nach seiner Auslieferung an das Kriegsverbrechertribunal verhielt sich Karadzic vor dem niederländischen Richter Alphons Orie betont korrekt und freundlich. Er wirkte etwas nervös, aber konzentriert. Auf einen Verteidiger will er während des gesamten Verfahrens verzichten. Er wolle sich selbst verteidigen und habe einen "unsichtbaren" Berater, sagte Karadzic etwas rätselhaft.
Welche Abmachung?
Mehrfach kritisierte Karadzic die Tatsache, dass er sich nun vor Gericht verantworten müsse. Er verwies auf eine angebliche Abmachung von 1996. Damals habe US-Unterhändler Richard Holbrooke nach dem bosnischen Friedensabkommen ihm eine Zusage gemacht für den Fall, dass er sich aus der Politik zurückziehe und das Abkommen nicht torpediere. Richter Orie lies Karadzic nicht ausreden.
Karadzic-Unterstützer hatten wiederholt Berichte verbreitet, dass Holbrooke ihm gegen einen politischen Rückzug Straffreiheit versprochen habe. Auch gebe es Kräfte im Westen, die gar kein Interesse daran hätten, dass der ehemalige Serbenführer vor Gericht über die Entwicklungen im Bosnienkrieg aussage. Holbrooke hat derartige Absprachen immer dementiert. Karadzic sagte vor dem Tribunal, er fürchte um sein Leben, er wisse nicht, wie weit Holbrookes Arm noch reiche.
Karadzic spricht von "Entführung"
Karadzic beklagte auch die Umstände seiner Festnahme in Belgrad. Er sei von unbekannten Zivilisten "entführt" worden und drei Tage lang an einem ihm unbekannten Ort festgehalten worden. Der Richter forderte Karadzic auf, entsprechende Eingaben schriftlich zu machen und mit Fakten zu belegen. Auch müsse er erläutern, welche rechtlichen Folgen das für diesen Prozess haben solle.
Der 63-Jährige erschien in dunklem Anzug mit Krawatte vor Gericht, die langen Haare waren geschnitten, das Gesicht glatt rasiert. Vielfach wirkte er angespannt.
Anklageschrift wird überarbeitet
Chefankläger Brammertz bestätigte seine Ankündigung vom Vortag, dass er die derzeitige, aus dem Jahr 2000 stammende Anklageschrift überarbeiten wolle. Es gehe darum, die Rechtsprechung des Tribunals aus den seitdem vergangenen Jahren zu berücksichtigen. Da Karadzic ohnehin 30 Tage Zeit hat, bis er auf schuldig oder unschuldig plädiert, setzte Richter Orie die nächste Verhandlung auf den 29. August fest.
Quelle: ntv.de