Afghane vermisst Respekt Karsai kritisiert Westen
02.04.2013, 06:51 Uhr
Hamid Karsai streift die Fesseln der Diplomatie ab.
(Foto: dapd)
Afghanistans Präsident Karsai hat nicht mehr viel zu verlieren: Seine Amtszeit endet 2014, noch einmal antreten darf er nicht. Er nutzt diese Situation und spricht frei aus, was er denkt: über den Umgang des Westens mit seiner Regierung, den Anti-Terrorkampf der Nato und seine Sorge vor einem Wiedererstarken der Taliban.
Afghanistans Präsident Hamid Karsai hat seine scharfe Kritik am Nato-Militäreinsatz im Land bekräftigt. Dem Anti-Terror-Kampf mangele es an einer nachvollziehbaren Strategie. "Der Westen hat nicht die Rückzugsgebiete der Terroristen bekämpft, nicht ihre Trainingscamps", sagte Karsai der "Süddeutschen Zeitung".
Das eigentliche Problem liege im Nachbarland Pakistan und sei nicht angegangen worden. "Wie kann das logisch sein, wie kann man da zu Ergebnissen kommen?", fragte Karsai. Zugleich bemängelte er, dass seine Regierung vom Westen respektlos behandelt worden sei. "Wir möchten, dass diese Beziehungen besser funktionieren, wir möchten wie Verbündete behandelt werden, nicht wie ein Gegenstand."
Karsai rief zudem die Taliban auf, die Waffen niederzulegen und sich am politischen Prozess zu beteiligen. Taliban-Anführer Mullah Omar könne 2014 Präsidentschaftskandidat werden und "den Afghanen die Möglichkeit geben, für ihn oder gegen ihn zu stimmen". 2014 stellt für Afghanistan eine Zäsur dar: Der Westen zieht seine Kampftruppen vom Hindukusch ab und Karsais Amtszeit endet.
Schwierige Gespräche mit Taliban
Karsai darf laut Verfassung dann nicht mehr antreten. Berichte der Opposition, er selbst könnte auch gegen die Verfassung eine weitere Amtszeit anstreben, wies der seit 2001 amtierende Staatschef zurück. Er werde nach der Wahl "ein Ex-Präsident sein", der nicht ins Exil gehen, sondern bleiben wolle.
Karsai hatte im Rahmen seiner Friedensbemühungen mit den Taliban am Wochenende Gespräche in Katar geführt. Dazu traf er mit dem Emir in Doha zusammen. Karsai strebt Verhandlungen zwischen den Aufständischen und dem Hohen Friedensrat Afghanistans in Doha an, die in einen politischen Prozess münden sollen. Friedensgespräche ausländischer Staaten mit den Taliban lehnt er ab.
Der Paschtune Karsai, der währen der Taliban-Herrschaft im Exil gelebt hatte, wurde kurz nach dem Sturz des Islamisten-Regimes im Jahr 2001 zunächst Übergangspräsident Afghanistans. Bei den Wahlen in den Jahren 2004 und 2009 holte er die meisten Stimmen, auch wenn es vor allem während der letzten Abstimmung zahlreiche Unregelmäßigkeiten gegeben hat.
Karsais Vorgänger im Amt, Mohammed Nadschibullah, war nach dem Rückzug der Sowjetunion vom Hindukusch zunächst gestürzt und später ermordet worden. Dieses Schicksal sieht John Bolton, der ehemalige US-amerikanische UN-Botschafter, auch auf Karsai zukommen. "Ich glaube, er wird von einem Laternenpfosten baumeln", sagte Bolton über die Zeit nach dem Ende des Einsatzes der US-Kampftruppen.
Quelle: ntv.de, jog/dpa/AFP