"Noch eine Menge zu tun" Keine Freifahrt für Serbien
22.07.2008, 22:47 UhrSerbien rückt nach der Verhaftung des bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic näher an die Europäische Union. Die Außenminister der 27 EU-Staaten ließen bei einem Treffen in Brüssel jedoch offen, wann ein Abkommen über engere Zusammenarbeit offiziell in Kraft gesetzt wird. Auf Drängen der Niederlande und Belgiens soll der Chefankläger des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Serge Brammertz, entscheiden, ob Serbien tatsächlich bereits "uneingeschränkt" mit dem UN-Gericht zusammenarbeitet.
Die Außenminister forderten auch, Serbien dürfe bei der Suche nach anderen mutmaßlichen Kriegsverbrechern nicht nachlassen. "Eine Festnahme genügt nicht", sagte der französische Außenminister und derzeitige Vorsitzende des EU-Ministerrates, Bernard Kouchner, nach den Beratungen. Er bezog sich auf Ex-Serbengeneral Ratko Mladic. "Ich hoffe, dass es zu einer Festnahme von Mladic kommt", sagte auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Allerdings bewertete er die Verhaftung von Karadzic als "Meilenstein in der Geschichte der Beziehungen zwischen Serbien und der Europäischen Union".
Noch keine Freihandelszone
Nach Angaben Steinmeiers bestanden die Niederlande und Belgien auf einer "eindeutigen Begutachtung" der serbischen Zusammenarbeit mit dem UN-Gericht durch Brammertz. Nur dann dürfe das "Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen" (SAA) gelten, mit dem unter anderem eine Freihandelszone geschaffen wird. Zudem eröffnet das Abkommen die Möglichkeit zu Beitrittsverhandlungen. Brammertz soll unter anderem sagen, ob die pro-europäische serbische Regierung durch Personalveränderungen in den Sicherheitsbehörden bessere Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit geschaffen habe.
"Ich bin sicher, dass er sagen wird, dass es eine uneingeschränkte Zusammenarbeit gibt", sagte EU-Chefdiplomat Javier Solana. "Ich denke, sie (die Serben) haben bewiesen, dass sie mit dem UN-Tribunal uneingeschränkt zusammenarbeiten wollen." Der finnische Außenminister Alexander Stubb sagte: "Das ist ein positiver Schritt in die richtige Richtung, aber es gibt noch einige andere Verbrecher, die vor Gericht gehören. Es bleibt noch eine Menge zu tun."
Kouchner sagte, Serbien habe mit der Verhaftung die Grundlage für engere Beziehungen zur EU geschaffen: "Wir müssen unseren serbischen Freunden das Angebot machen, eines Tages Mitglied der EU zu werden." Es sei Aufgabe der EU, auch andere Westbalkanländer wie Bosnien- Herzegowina und Montenegro zu empfangen.
Auch EU soll Annäherung beschleunigen
Der Balkan-Experte Dusan Reljic hat die Europäische Union aufgefordert, die Annäherung Serbiens an die EU zu beschleunigen. Mit der Festnahme von Karadzic sei "endlich der Beweis erbracht worden, dass die Regierung in Belgrad voll mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal zusammenarbeitet", sagte der Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik der "Berliner Zeitung". Mindestens sollte, so Reljic, das sogenannte Interimsabkommen, das wichtige finanzielle und wirtschaftliche Vorteile bringt, freigegeben werden: "Das wiederum könnte Serbien der EU einen Schritt näher bringen. Vielleicht erfüllt sich auch der in Belgrad oft vorgetragene Wunsch, dass Serbien bis zum Jahresende EU-Beitrittskandidat wird."
"Historischer Augenblick für die internationale Justiz"
Steinmeier sagte, die serbischen Regierenden hätten mit der Verhaftung Karadzics "bewiesen, dass sie es ernst meinen mit Stabilität für Serbien, mit innerer Aussöhnung für Serbien". "Die Verhaftung von Karadzic ist ein historischer Augenblick für die internationale Justiz und die Versöhnung auf dem westlichen Balkan", sagte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn. "Und sie ist auch ein Meilenstein in der Zusammenarbeit Serbiens mit dem UN-Tribunal.
"Dies ist ein sehr wichtiger Schritt. Aber wenn man auf dieser Straße reist, dann muss man eine ganze Reihe von Schritten machen", sagte der schwedische Außenminister Carl Bildt. In einer offiziellen Erklärung sprachen die EU-Außenminister von einer "wichtigen Etappe auf dem Weg der Annäherung Serbiens an die EU".
Serbiens Außenminister Vuk Jeremic kündigte an, die serbischen Botschafter, die nach der Anerkennung des Kosovos durch eine Mehrheit der EU-Staaten in die Heimat zurückbeordert worden waren, sollten wieder an ihre Botschaften in den EU-Hauptstädten zurückkehren. "Es ist uns mit unserer Zukunft in der EU sehr ernst. Wir haben das gestern demonstriert: Wir wollen ein Mitglied der EU sein", sagte Jeremic.
Quelle: ntv.de