Haushaltskonsolidierung hat Priorität Keine Steuersenkungsdebatte
23.06.2010, 16:01 UhrBundeskanzlerin Merkel ist offenbar nicht bereit, erneut über Steuersenkungen zu debattieren. Entsprechenden Forderungen aus der Koalition nimmt sie den Wind aus den Segeln. Wenn man weniger zusätzliche Schulden macht, ist das kein finanzielles Polster, dann sind das immer noch Schulden.

Merkel und Schäuble sind sich einig: Zunächst müsse der Haushalt konsolidiert werden.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weist die neuen Forderungen aus der Koalition nach Steuersenkungen zurück. Es gebe keinen Grund zu einer neuen Debatte, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Die Debatte über Steuersenkungen sei völlig überflüssig. Nach übereinstimmender Meinung in der Koalition habe die Konsolidierung der Haushalte Priorität. Zuvor hatten Koalitionspolitiker mit Blick auf bessere Konjunkturdaten erneut Steuersenkungen ins Gespräch gebracht.
Zuvor hatte bereits Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den strikten Sparkurs trotz der geringeren Kreditaufnahme verteidigt, denn die Neuverschuldung bleibt dennoch die gigantischste aller bisherigen Zeiten.
Wilhelm sagte, die Schuldenbremse im Grundgesetz ziele auf das strukturelle Haushaltsloch, also die dauerhafte Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben. Konjunkturelle Effekte schlügen hier nicht voll zu Buche. Wegen der besseren Konjunktur hatte Schäuble angekündigt, in diesem Jahr mit 65 Milliarden Euro an neuen Krediten auszukommen zu können - 15 Milliarden Euro weniger als bisher geplant.
Wilhelm sagte, dadurch ergebe sich kein finanzieller Spielraum: "Wenn wir weniger zusätzliche Schulden machen, ist das kein finanzielles Polster, dann sind das immer noch Schulden." Bis 2016 muss der Bund das strukturelle Defizit in seinem Etat weitgehend schließen.
Wilhelm sagte, völlig unabhängig davon sei es unverändert ein Anliegen der Koalition, den Steuertarif gerade mit Blick auf kleine und mittlere Einkommen gerechter zu gestalten. Er betonte aber: "Diese Aufgabe ist dann zu leisten, wenn die Konsolidierung bewältigt ist."
Steuersenkung "wäre machbar"
Angesichts der geringeren Neuverschuldung hatten Finanzexperten von FDP und Union erneut Steuersenkungen ins Spiel gebracht. "Jetzt haben wir genug Luft für eine Abflachung des Mittelstandsbauchs und eine Entschärfung der kalten Progression", so der FDP-Finanzexperte Daniel Volk. Die von der FDP immernoch geforderte Steuersenkung in Höhe von 16 Milliarden Euro sei jetzt gut zu finanzieren, sagte Volk. Auch der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg (CDU), plädierte für geringere Steuern. Angesichts der besseren Haushaltszahlen stünde einer Steuersenkung von fünf Milliarden Euro ohne Gegenfinanzierung nichts entgegen.
Steuersenkungen "nur verschoben"
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) stellte klar, dass die "im Koalitionsvertrag vereinbarten Steuersenkungen nicht aufgehoben, sondern nur auf der Zeitachse verschoben" seien. Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise mache es erforderlich, erst die Haushalte zu konsolidieren. Je schneller und nachhaltiger uns das gelingt, umso eher können wir das Steuersystem vereinfachen und die Steuern senken, sagte Brüderle.
Am Dienstag war bekannt geworden, dass die Bundesregierung im laufenden Jahr deutlich weniger Schulden machen muss als bisher befürchtet. Für dieses Jahr werden neue Kredite von 60 bis 63 Milliarden Euro erwartet - bis zu 20 Milliarden weniger als geplant. Grund sind höhere Steuereinnahmen und geringere Arbeitsmarktkosten dank der besseren Wirtschaftslage sowie die einmaligen Milliarden-Erlöse aus dem Verkauf von Mobilfunklizenzen. Union und FDP wollen trotz des gebremsten Schuldenanstiegs am Sparpaket festhalten, das rund 80 Milliarden Euro bis 2014 bringen soll.
Schäuble warnt vor Übermut
"Die Krise liegt hinter uns. Deshalb müssen wir jetzt unsere hohe Neuverschuldung zurückführen", sagte Schäuble den "Ruhr Nachrichten". "Wir sparen uns aber nicht kaputt", sagte er zu Befürchtungen, zu große Sparanstrengungen könnten die Konjunktur abwürgen.
Von der Opposition erwarte er "mehr Niveau", sagte Schäuble mit Blick auf den Vorwurf, dass nur ein geringer Teil der Sparmaßnahmen auch den Bundesländern zur Abstimmung vorgelegt werden solle. Von den mehr als elf Milliarden Euro im nächsten Jahr bedürfe aus jetziger Sicht nur die Streichung des Heizkostenzuschusses mit 100 Millionen Euro der Zustimmung der Länderkammer. "Es wäre absurd, wenn wir wegen dieses relativ kleinen Details das gesamte Paket zustimmungspflichtig machen würden", sagte Schäuble.
Skeptisch äußerte sich Schäuble im Hinblick auf eine Reform der Mehrwertsteuer. "Die komplette Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ist nicht realistisch", sagte der Finanzminister. Eine neue Abgrenzung sei wegen der vielen betroffenen Einzelgruppen kein einfaches Unterfangen. Schäuble glaubt nicht, "dass wir eine Mehrwertsteuerreform schon 2011 zum Abschluss werden bringen können".
Steinmeier droht mit Klage
Inzwischen hat SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der Bundesregierung mit rechtlichen Schritten gedroht, falls sie wesentliche Teile ihres 80-Milliarden-Euro-Sparpakets ohne Beteiligung des Bundesrates beschließen sollte. "Alle steuerrechtlich relevanten Fragen brauchen die Zustimmung der Länder", so Steinmeier: "Das Sparpaket muss in großen Teilen durch den Bundesrat."
Weiter sagte er dem "Hamburger Abendblatt": "Die Länder werden bei Verletzung ihrer Zustimmungsrechte den Rechtsweg beschreiten." Dies gelte für die geplante Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken wie für das Sparpaket.
Quelle: ntv.de, dpa