Nach FDP-Erklärung Keine Versöhnung
01.06.2002, 08:27 UhrDie FDP hat für ihre Berliner Erklärung zur Antisemitismus-Debatte heftige Kritik geerntet. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, zeigte sich "enttäuscht und entsetzt". Grünen-Chefin Claudia Roth bezeichnete den Vorstoß als blamable Null-Erklärung.
Möllemann macht weiter
FDP-Vize Jürgen Möllemann legte unterdessen nach und schloss eine Entschuldigung beim stellvertretenden Zentralrats-Chef Michel Friedmann kategorisch aus. Er habe seine Äußerungen schon vor Tagen bedauert. "Auf die ausgestreckte Hand wird ständig draufgeschlagen", sagte er der "Bild am Sonntag ".
Haider ist begeistert
Der österreichische Rechtspopulist Jörg Haider stärkte dem stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden demonstrativ den Rücken und rief ihn auf, hart zu bleiben. "Möllemann vertritt eine Politik, die wir in Österreich schon seit 1986 machen", lobte Haider den FDP-Vize in der "Bild am Sonntag". Er könne Möllemann "nur raten: Kopf hoch und nicht gleich in Deckung gehen."
Mit deutlichen Worten wies Möllemann Haiders Unterstützung zurück."Haider ist und bleibt ein Rattenfänger. Er soll sich zum Teufel scheren", sagte er der dpa.
FDP spricht von Missverständnis
Das Wort "Entschuldigung " kommt in der so genannten "Berliner Erklärung" des FDP-Bundesvorstandes nicht vor. In dem von Parteichef Guido Westerwelle entworfenen Text bedauert und missbilligt die Partei-Spitze den Umgang von Partei-Vizechef Jürgen Möllemann mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland - mehr nicht. Der Zentralrat forderte erneut eine förmliche Entschuldigung.
Die Entschließung wurde offenbar zwischen Westerwelle, Möllemann und weiteren Parteivorständlern abgesprochen. Das berichtet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf FDP-Mitglieder. Dabei setzte sich Möllemanns Linie durch, sich nicht bei Zentralrats-Vize, Michel Friedman, öffentlich zu entschuldigen und den umstrittenen ehemaligen Grünen-Politiker Jamal Karsli nicht aus der NRW-Landtagsfraktion auszuschließen.
In der Erklärung missbilligt die FDP eine falsche Wortwahl Möllemanns. Weder der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon noch Friedman seien verantwortlich für einen wachsenden Antisemitismus in Deutschland. Auch Möllemann habe der Erklärung zugestimmt und seine "Verirrung in der Debatte" bedauert, sagte Westerwelle.
Der FDP-Chef wies den Vorwurf des Antisemitismus gegen die Partei oder einzelne Mitglieder zurück. Dies sei der "schlimmste Vorwurf, den man in Deutschland erheben kann". Kritik unter Freunden aus Sorge um die Entwicklung im Nahen Osten müsse möglich bleiben. Die Debatte sei in der Sache notwendig gewesen, betonte Westerwelle.
FDP schwankt in Sonntagsfrage
Ob die Debatte um Antisemitismus und Rechtspopulismus der FDP in der Wählergunst nützt oder schadet ist nach aktuellen Umfragen offen. In zwei Erhebungen legten die Freien Demokraten bei der "Sonntagsfrage" jeweils um einen Prozentpunkt zu, in einer weiteren büßten sie zwei Prozentpunkte ein. Alle Umfragen ergaben bei nur geringen Schwankungen eine Parlamentsmehrheit für Union und FDP.
Quelle: ntv.de