Politik

Union spricht von "Theoriemurks" Keine große Steuerreform

Die FDP stößt mit ihren Plänen für eine große Steuerreform auf immer schärferen Gegenwind in der Union. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schließt eine grundlegende Reform angesichts leerer Staatskassen für diese Wahlperiode aus.

Nicht nur Trauben hängen hoch ...

Nicht nur Trauben hängen hoch ...

(Foto: picture-alliance/ dpa)

"Ein grundlegend neues Steuersystem ist nicht die Verabredung", sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post". "Wenn Sie das vorhaben, geht das nur mit einer gleichzeitig spürbaren großen Entlastung. Dafür fehlt in den kommenden vier Jahren das Geld."

Die CSU warf der FDP "Theoriemurks" vor. Die FDP betreibe eine Politik, die einem Schönheitswettbewerb mit Kurven oder Stufen gleichkomme, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. "Man hat eine erhebliche Milliardenwirkung, aber eigentlich nicht an der Stelle die nötige Entlastung, wie man sie haben will." Der FDP-Stufentarif habe zu zwei Dritteln eine Entlastungswirkung in den oberen Einkommensbereichen. "Deswegen kann ich mir vorstellen, dass sich dieser Stufentarif nicht durchsetzt." Die FDP verbinde die Strukturreform mit einem Stufentarif, "wir nicht". FDP-Fraktionsvize Carl- Ludwig Thiele betonte, der Umbau zu einem Stufentarif stehe im Koalitionsvertrag.

Bei seiner Antrittsrede im Bundestag sagte Schäuble, die zunehmende Erholung der Wirtschaft führe nicht automatisch zu größeren finanzpolitischen Spielräumen. Der Schuldenstand Deutschlands werde im Jahr 2011 auf fast 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) steigen.

Bundestag berät Steuersenkungspläne

Der Bundestag will über die ersten Steuersenkungen der neuen Koalition für 2010 beraten. Vorgesehen sind Entlastungen für Eltern, Unternehmen, Erben und die Hotelbranche um bis zu 8,5 Milliarden Euro pro Jahr. Mit diesem ersten Schritt sollen unter anderem der Kinderfreibetrag und das Kindergeld angehoben werden. Das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz soll noch vor Weihnachten verabschiedet werden. Die Opposition kritisiert die mit neuen Schulden finanzierten Entlastungen als Klientelpolitik und finanzpolitischen Blindflug. Für 2011 hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) weitere Entlastungen mit strukturellen Veränderungen im Steuersystem angekündigt. Aus unionsgeführten Ländern kommen zwar Bedenken. Dennoch sicherten sie Schäuble laut "Handelsblatt" Zustimmung im Bundesrat zu.

Schäuble verteidigte die geplanten ersten Steuersenkungen der Koalition. Für die schwarz-gelbe Regierung stünden steuerliche Wachstumsimpulse nicht im Widerspruch zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. "Beides ist notwendig", sagte Schäuble. 2011 werde mit der Konsolidierung begonnen, wenn es einen - wie erwartet - selbsttragenden Aufschwung gebe.

Bundesländer weiter unzufrieden

Auch die Kritik aus den Bundesländern hält an. Die Finanzminister der unionsgeführten Länder hätten bei einem Treffen mit Schäuble schwere Bedenken gegen Teile des Sofortprogramms der Bundesregierung geäußert, berichtet das "Handelsblatt" unter Berufung auf Teilnehmerkreise. Die Kritik habe sich vor allem auf die geplante Absenkung des Mehrwertsteuersatzes im Hotel- und Gaststättengewerbe gerichtet. Dennoch hätten die Länder Schäuble Zustimmung im Bundesrat für das Gesetz zugesichert.

Schäuble sagte mit Blick auf eine Steuerreform, die im Koalitionsvertrag von Union und FDP beschlossenen Maßnahmen für 2010 und 2011 seien "ein erster Schritt dahin". Mit den beiden Steuerschritten wolle die Bundesregierung das noch immer schwache Wachstum stabilisieren. Gleichzeitig kündigte der Finanzminister eine "sorgfältige" Überprüfung des Systems der ermäßigten Mehrwertsteuersätze an. "Man stellt das Nachdenken ja nicht mit den Koalitionsverhandlungen ein", sagte Schäuble.

Einzelhändler skeptisch

Nach Auffassung des Einzelhandels werden von den geplanten Steuerentlastungen nur wenig Impulse für ihr Geschäft ausgehen. Es sei zu befürchten, dass auch die Erleichterungen in Milliardenhöhe dem privaten Konsum "noch nicht auf die Sprünge helfen werden", erklärte der Dachverband HDE in Berlin. Die Mehrzahl der Firmen rechne daher für 2010 mit einer schlechteren wirtschaftlichen Lage als in diesem Jahr, sagte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser.

Hoteliers sahnen ab

Die geplante Senkung der Mehrwertsteuer für das Hotel- und Gaststättengewerbe dürfte einem Zeitungsbericht zufolge kaum zu niedrigeren Zimmerpreisen führen. Schätzungen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes zufolge könnte die Verringerung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf sieben Prozent eine Milliarde Euro mehr in die Kassen der Hoteliers spülen, wie die in Erfurt erscheinende "Thüringer Allgemeine" berichtet. Laut einer Umfrage des Branchenverbandes unter knapp 6000 Unternehmern würden die Hoteliers den zusätzlichen Nettoertrag jedoch nur zu 20 Prozent durch Preissenkungen direkt an die Übernachtungsgäste weitergeben.

Knapp 70 Prozent sollen reinvestiert beziehungsweise den Angestellten als Fortbildungsmaßnahmen oder Lohnerhöhungen zugute kommen, berichtete die "Thüringer Allgemeine" unter Berufung auf die Umfrage. Zehn Prozent verschwinden demnach als zusätzlicher Gewinn in den Taschen der Unternehmer.

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP

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