Politik

Streit um Quadriga-Preis für Putin Keiner will's gewesen sein

Putin (hier im Urlaub 2009) liebt es, sich als ganzer Kerl darzustellen.

Putin (hier im Urlaub 2009) liebt es, sich als ganzer Kerl darzustellen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Immer mehr Kuratoriums-Mitglieder kehren nach der umstrittenen Entscheidung, den russischen Premier Putin mit dem Quadriga-Preis zu ehren, dem Verein den Rücken. Abwesende erfahren aus der Presse, dass sie "entschieden" haben. Und so stellt sich die Frage, wie in dem Verein eigentlich die Preisträger gefunden werden. Und von wem.

Mit dem Heidelberger Historiker Edgar Wolfrum möchte ein weiteres Kuratoriums-Mitglied die Verleihung des Quadriga-Preises an Russlands Premier Wladimir Putin nicht mittragen. Der Professor für Zeitgeschichte kündigt in der in Heidelberg erscheinenden "Rhein-Neckar-Zeitung" seinen sofortigen Rücktritt an.

"Es ist nicht hinnehmbar, dass einzelne Mitglieder des Kuratoriums für Entscheidungen in Haftung genommen werden, an denen sie nicht beteiligt waren, über die sie nicht informiert worden sind und über die sie in der Presse erfuhren", begründete Wolfrum die Entscheidung. Gerade bei der Auszeichnung Putins hätte es einer breiten Diskussion bedurft. Die Entscheidungsfindung sei "skandalös" gewesen.

Die "Quadriga" wird seit 2003 vergeben. Der Preis ist eine Initiative des politischen Vereins "Werkstatt Deutschland", der 1993 gegründet wurde und seinen Sitz in Berlin hat. Preisgeber ist die vom Verein ins Leben gerufene gemeinnützige "Netzwerk Quadriga GmbH". Mit dem Preis sollen Persönlichkeiten oder Gruppen aus Politik, Wirtschaft und Kultur geehrt werden, die durch ihr Engagement Zeichen für Aufbruch, Erneuerung und Pioniergeist setzen.

Der tschechische Bürgerrechtler Simon Panek, der 2004 mit der Quadriga ausgezeichnet wurde, teilte inzwischen in Prag mit: "Ich will mich definitiv nicht in gleicher Reihe mit Putin sehen."

Putin und die Menschenrechte

Der ehemalige sowjetische Staatschef Michael Gorbatschow erhielt 2009 die "Quadriga".

Der ehemalige sowjetische Staatschef Michael Gorbatschow erhielt 2009 die "Quadriga".

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Kritik an der Vergabe des undotierten Preises 2011 gibt es vor allem, weil Putin mangelnde Beachtung der Menschenrechte vorgeworfen wird. Der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn, erinnerte in der "Rheinischen Post" an die Rolle Putins bei der sowjetischen Geheimpolizei KGB. Als KGB-Offizier sei Putin "eine Stütze der kommunistischen Diktaturen" gewesen, sagte Jahn. Putin war von 1975 bis 1992 Offizier in der KGB-Abteilung für Auslandsspionage und in dieser Eigenschaft von 1985 bis Anfang 1990 in der DDR stationiert.

Jede Vereinigung könne zwar die Preise verleihen, die sie wolle, sagte der frühere DDR-Bürgerrechtler. "Es spricht aber nicht für das Netzwerk Quadriga, ausgerechnet Wladimir Putin für preiswürdig zu halten."

Entscheidungsfindung umstritten

Der Verein will hingegen den Einsatz für die deutsch-russische Partnerschaft auszeichnen – und hat trotz der immer stärker werdenden Kritik die Entscheidung explizit bekräftigt. Am Dienstag hatte das Gremium nach zwei Krisentreffen seine Entscheidung bestätigt, den Ex-Kremlchef knapp ein halbes Jahr vor der Präsidentschaftswahl in Russland zu ehren.

Grünen-Chef Cem Özdemir ist bereits von seinem Kuratoriumsposten wegen des Streits um die Quadriga-Vergabe zurückgetreten. Weitere Kuratoriumsmitglieder distanzierten sich von der Entscheidung. Wikipedia-Gründer Jimmy Wales widersprach in der russischen Zeitung "Iswestija" der Darstellung des Vereins, er habe von der Abstimmung des Kuratoriums gewusst: "Ich bedaure, dass Quadriga meinen Namen in dieser Weise benutzt. Mich hat niemand gebeten, für oder gegen jemanden zu stimmen." Die Internet-Enzyklopädie Wikipedia hatte 2008 die "Quadriga" bekommen.

Vereinssprecher Stephan Clausen sagte, nach dem Votum der anderen Kuratoriumsmitglieder seien die Nichtanwesenden schriftlich informiert worden und hätten einschreiten können. Wales hat seinen Angaben zufolge das Gremium verlassen und einen scharfen Protestbrief an Werkstatt Deutschland geschickt. FDP-Beraterin Margarita Mathiopoulos ließ in einer Mitteilung erklären, sie hätte sich bei der Wahl enthalten - wäre sie bei der Gremiumssitzung dabei gewesen.

Rückdeckung für das Votum kam von Rockmusiker Marius Müller-Westernhagen, der wie Wales Quadriga-Preisträger ist und nach dpa-Informationen bei der Wahl pro Putin eine beratende Funktion im Kuratorium innehatte. Der Preis werde nach subjektiven Kriterien vergeben, erklärte Westernhagen im 3sat-Interview. "Wer subjektiv urteilt, muss (...) eine starke Haltung haben." Diese müsse man nicht immer teilen. "Im Fall der Verleihung der Quadriga an Wladimir Putin fällt mir das zum Beispiel außerordentlich schwer, aber ich habe auch schon über manchen Nobelpreisträger gestaunt."

Putin schweigt

Der sächsische Ministerpräsident Tillich (CDU, r) überreicht 2009 Putin in der Semperoper einen Ehrenpreis.

Der sächsische Ministerpräsident Tillich (CDU, r) überreicht 2009 Putin in der Semperoper einen Ehrenpreis.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Putin selbst äußert sich weiterhin nicht. "Wir halten uns nicht für berechtigt, uns in eine innere Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung (des Vereins) einzumischen", sagte sein Sprecher Dmitri Peskow laut "Iswestija". Auf der Homepage des Vereins heißt es unter anderem: "Eine Quadriga honoriert eine besondere bürgerschaftliche Haltung."

Putin soll den Preis am Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober erhalten. Er werde wegen seiner "Verdienste für die Verlässlichkeit und Stabilität der deutsch-russischen Beziehungen" geehrt, heißt es offiziell.

Die Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestag, Monika Grütters (CDU), empfahl dem Kuratorium, die ihrer Meinung nach "sehr bedenkliche" Personalentscheidung "sehr kritisch zu überdenken". Bereits 2009 hatte eine deutsche Auszeichnung Putins Kritik ausgelöst: Beim Dresdner SemperOpernball bekam er einen "Dankorden" für Verdienste um den deutsch-russischen Kulturaustausch.

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/AFP

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