Politik

Bundestagsvizepräsidentin Magwas "Kern des Übels ist die Hetze der AfD"

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Yvonne Magwas ist seit 2021 eine der Vizepräsidentinnen des Bundestages. Im Bundestag vertritt sie seit 2013 den Vogtlandkreis, der im Süden an Bayern und Tschechien grenzt.

Yvonne Magwas ist seit 2021 eine der Vizepräsidentinnen des Bundestages. Im Bundestag vertritt sie seit 2013 den Vogtlandkreis, der im Süden an Bayern und Tschechien grenzt.

(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)

Immer wieder kam es in den vergangenen Wochen und Monaten zu Übergriffen gegen Grünen-Politiker - zuletzt in Brandenburg gegen eine der Vizepräsidentinnen des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt. Ihre Amtskollegin, CDU-Politikerin Yvonne Magwas, spricht mit ntv.de über die wachsende Zahl von Beleidigungen und Übergriffen von rechts und was man dagegen tun kann.

ntv.de: Frau Magwas, in den vergangenen Monaten gab es immer wieder Angriffe auf Politiker und Politikerinnen, zuletzt Katrin Göring-Eckardt. Wie erleben Sie das in Ihrer Arbeit als Vizepräsidentin des Bundestags und Abgeordnete des sächsischen Wahlkreises Vogtland?

Yvonne Magwas: Solche Vorfälle werden häufiger. Bei mir sind es eher Beleidigungen und Bedrohungen, vor allem in den sozialen Netzwerken. Auf einer Demo, auf der ich neulich gesprochen habe, ist direkt neben mir ein großer Böller explodiert. In meiner Heimatstadt Auerbach ist das Wahlkreisbüro der Grünen immer wieder angegriffen worden.

Was ist da passiert?

Da wurden Fenster eingeschlagen oder ein Misthaufen vor die Tür gekippt. So gehen die Demokratiefeinde vor. Sie sind nicht mehr bereit, zu diskutieren und Argumenten zuzuhören. Das ist ein sehr großes Problem.

Wer sind die Demokratiefeinde? Sind es vor allem Rechtsextreme?

Es ist eine Mischung von Leuten. Da sind Rechtsextreme wie AfD, III. Weg und die Freien Sachsen, aber auch Verschwörungstheoretiker und Reichsbürger, die meinen sich so äußern zu müssen.

Trifft es nur die Grünen? Oder sind alle betroffen?

Es betrifft auch andere Parteien, aber die Grünen ganz besonders. Das beginnt mit Worten. Und aus Worten werden Taten.

Wo kommt dieser Hass her?

Ein Grund ist die Hetze der AfD gegen die Grünen und alle anderen demokratischen Parteien. Das ist der Kern des Übels.

Nehmen solche Diffamierungen und Angriffe zu?

Ja, das hat zugenommen, besonders seit 2017, als die AfD in den Bundestag einzog. Wie deren Abgeordnete dort auftreten, Zwischenrufe machen, beleidigen, das wird immer mehr. Wir denken mittlerweile über Verschärfungen des Ordnungsrechts nach. Wir haben gern eine streitbare Debattenkultur. Aber Diffamierungen und persönliche Beleidigungen können wir nicht dulden.

Über was für Verschärfungen denken Sie nach?

Wir haben beispielsweise das Phänomen, dass AfD-Abgeordnete Ordnungsrufe wie Trophäen vor sich hertragen. Der eine sagt: "Heute habe ich zwei", der andere sagt: "Ich habe drei". Deren Klientel mag das. Wir überlegen, Ordnungsgelder schon nach zwei oder drei Ordnungsrufen zu verhängen, wie eine gelbe und rote Karte. Das könnte man in der Geschäftsordnung des Bundestages verankern.

Wann ist eine Grenze überschritten?

Sobald es beleidigend wird. Beleidigungen sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. In sozialen Medien hat mich der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner als "bemerkenswert dumme Vizepräsidentin" bezeichnet. Das muss ich mir nicht gefallen lassen. Manchmal ist es auch subtiler. Einmal ist ein AfD-Abgeordneter aufgestanden und hat eine SPD-Abgeordnete mit Migrationshintergrund fragt, was sie schon für unser Land getan hat. Da fallen nicht die bösen Worte. Aber es ist natürlich persönlich extrem angreifend. Das sind Einschüchterungsversuche. Das ist ein Teil der AfD-Strategie. Herabsetzen und beleidigen, die Demokratie und ihre Institutionen verächtlich machen.

Was macht das mit den Politikerinnen und Politikern?

Wenn es beleidigend wird, dann zeige ich das an und das machen viele Kolleginnen und Kollegen so. Wir müssen die Mittel des Rechtsstaates nutzen. Auf der kommunalpolitischen Ebene sagen dann aber auch viele: "Ich tu mir das nicht mehr an" und treten nicht mehr an. Die machen das ehrenamtlich. Wenn Gülle ausgekippt wird oder Scheiben eingeschlagen werden, schüchtert das die Menschen ein. Hier in Auerbach sind aktuell fast alle Plakate der SPD beschmiert worden. Das ist ein großes Problem, denn die Kommunalpolitik ist die Basis unserer Demokratie. Sie ist die Keimzelle.

Sind wir zu tolerant? Es gibt ja nicht nur Rechtsextreme, es gibt auch Linksextreme oder islamistische Fundamentalisten.

So etwas wie diese Demo in Hamburg, auf der das Kalifat gefordert wurde, das geht natürlich auch nicht. Die Innenministerin sollte ein Verbot des Vereins Muslim Interaktiv prüfen, das fände ich richtig. Wehrhafte Demokratie bedeutet, die Mittel des Rechtsstaates zu nutzen und immer wieder zu prüfen, ob sie ausreichend sind.

Sind sie das denn?

Oft ist der Vollzug das Problem. Eine Anzeige muss schnell bearbeitet werden. Es darf nicht ein Jahr oder noch länger dauern, bis es ein, oft noch mildes, Urteil gibt. Dann stellen sich viele die Frage, ob sie sich das überhaupt antun sollen. Dann resignieren sie vielleicht und lassen Beleidigungen über sich ergehen. Das kann aber auch nicht die Lösung sein. Dazu gehört auch, dass Polizei und Justiz dafür sensibilisiert sind.

Haben Sie da schlechte Erfahrungen gemacht?

Ich habe selbst meist gute Erfahrung mit der Polizei gemacht. Katrin Göring-Eckardt hat gesagt, sie hätte sich in diesem Fall von der Polizei mehr erhofft - verständlich. Wichtig ist, dass die Polizei flächendeckend sensibilisiert ist.

Die Mittel des Rechtsstaates sind das eine. Was kann die Politik tun?

Es gibt viele Ansatzpunkte. Demokraten müssen sich unterhaken und sagen: "Bis hierher und nicht weiter. Wir sind die Mehrheit, ihr seid die Minderheit. Wir lassen das nicht zu." Deswegen gibt es ja auch eine überparteiliche Unterstützung für Katrin Göring-Eckardt, sei es von der SPD oder der CDU. Wir müssen aber auch aufpassen, wie wir uns äußern. Es kommt aufs Wording an.

Sind Sie für ein Verbot der AfD?

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben als eine der Lehren aus der Nazi-Barbarei die wehrhafte Demokratie in unserer Verfassung verankert. Dazu gehört auch die Möglichkeit des Verbots wirkmächtiger radikaler Parteien. Noch nie war eine solche Gefahr so groß wie jetzt die von der rechtsradikalen AfD. Die Entscheidung liegt mit einem Zwei-Drittel-Mehrheits-Erfordernis in den Händen des unabhängigen Bundesverfassungsgerichts. Wir als Politik, Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat, sind antragsberechtigt, die Tür dorthin zu öffnen. Ich neige dem zu. In Sachsen ist die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft.

Hält unsere Demokratie die Demokratie-Feinde aus?

Wenn sich die Demokraten unterhaken, wenn wir die rechtsstaatlichen Möglichkeiten nutzen und immer wieder überprüfen und unsere Polizei und Gerichte unterstützen, diesen Weg zu gehen, ja, dann halten wir das aus.

Mit Yvonne Magwas sprach Volker Petersen

Quelle: ntv.de

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