Die letzte Hochburg der Rebellen in Mali Kidal steht vor dem Fall
30.01.2013, 15:44 Uhr
Kräfte aus dem Tschad patrouillieren in Gao. Nach und nach müssen die Rebellen in Mali ihre Hochburgen aufgeben.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Ist der Widerstand der islamistischen Rebellen in Mali gebrochen? In der Nacht rücken französische Truppen bis zur letzten Rebellenhochburg Kidal vor, nehmen den Flughafen ein. Auf nennenswerte Gegenwehr stoßen sie nicht.
Französische Truppen haben im Krieg in Mali die letzte große Rebellenhochburg umstellt. Die Soldaten erreichten in der vergangenen Nacht Kidal und brachten den Flughafen der Stadt unter ihre Kontrolle. Angaben aus Paris zufolge hinderte lediglich ein Sandsturm die französischen Soldaten daran, die Stadt ganz zu nehmen. Das teilte ein Sprecher der Streitkräfte mit. Zu Details wollte er sich nicht äußern. Offenbar kam es aber anders als in Gao und Timbuktu nicht zu Kämpfen oder zu Luftangriffen auf die Islamisten.
Aus Mali heißt es: Die Franzosen nahmen den Flughafen im Alleingang ein. Auch darin unterscheidet sich das Vorrücken auf Kidal. Andererorts ließen die Franzosen heimische Kräfte zuerst in die Städte vorrücken, um den Eindruck zu stärken, dass die malische Armee als Vertreter der Regierung das Land von den islamistischen Rebellen befreit.
Malische Truppen nicht beteiligt

Vielen Bewohnern der Städte, die die Islamisten besetzt hielten, ist die Erleichterung anzusehen.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Noch erscheint die Lage vor Ort unübersichtlich. Von einem Sprecher der malischen Armee hieß es: "In Gao und Timbuktu haben die Franzosen Luftangriffe geflogen, aber in Kidal wurde nicht mal geschossen. Wir haben keine Ahnung, was da los ist." Beobachter glauben, dass Tuareg-Kämpfer der MNLA ("Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad") Kidal bereits im Vorfeld von islamischen Extremisten zurückerobert hatten.
Die MNLA hatte im Frühjahr 2012 gemeinsam mit Islamistengruppen den Norden des riesigen Wüstenstaates eingenommen, nachdem in der Hauptstadt Bamako im Zuge eines Militärputsches ein Machtvakuum entstanden war. Wenige Monate später hatten die islamischen Extremisten jedoch die Kontrolle übernommen und die Tuareg weitgehend aus den Städten vertrieben. Anschließend wurde in der Region eine strenge Auslegung der Scharia eingeführt.
Eine andere Deutung: Malischen Quellen zufolge führten die Franzosen in Kidal bereits Gespräche mit Vertretern von Islamisten und Tuareg-Rebellen. Dies könnte mit ein Grund dafür sein, dass die Franzosen alleine vorrückten. Die Islamistengruppe MIA hatte malische und andere afrikanische Soldaten aufgefordert, der Stadt Kidal fern zu bleiben. Die Truppen sollten die Stadt und deren Umgebung nicht betreten, bevor eine "politische Lösung" im Konflikt mit der Regierung in Bamako gefunden sei. Nur dann seien sie bereit den "Kampf gegen den Terrorismus" zu unterstützen.
Die MIA ist allerdings nur eine Splittergruppe der Rebellen. Sie hat sich nach eigenen Angaben vor kurzem von der Gruppe Ansar Dine abgespalten.
Lebensmittel in Kidal werden knapp
Kidal liegt rund 1200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bamako. In der gleichnamigen Wüstenregion sollen sich islamistische Kämpfer, Verbündete der Al-Kaida, vor französischen Luftangriffen versteckt haben.
Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) warnte, dass die Lebensmittelvorräte dort knapp werden. Vor allem die Schließung der naheliegenden Grenze zum Nachbarland Algerien, über die die Waren normalerweise transportiert werden, habe zu dem Versorgungsengpass geführt. Zudem seien hunderte Menschen bereits seit Tagen auf der Flucht, da sie einen Angriff auf Kidal befürchtet hatten. Einige hielten sich in Dörfern an der Grenze auf, andere hätten in Algerien Zuflucht gesucht.
Kritik an Westerwelle
Trotz der militärischen Fortschritte der malischen und französischen Truppen keimte zuletzt Kritik auf. Sie richtete sich gegen Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). Die Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und Ärzte der Welt warfen ihm vor, ihren Hilfseinsatz in Mali zu erschweren. Indem er in seinen Äußerungen zur deutschen Unterstützung für den Militäreinsatz in Mali immer wieder militärische und humanitäre Aufgaben vermische, missbrauche er die Hilfseinsätze.
Die Hilfsorganisationen befürchten, dass ihre Mitarbeiter in Mali durch Westerwelles Äußerungen als Teil einer Militärintervention gesehen und "zur Zielscheibe" werden.
Das Auswärtige Amt wies die Vorwürfe "entschieden" zurück. "Bei der humanitären Hilfe der Bundesregierung gelten selbstverständlich die bewährten Grundsätze der Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Das gelte auch für die humanitäre Hilfe der Bundesregierung für die notleidenden Menschen in Mali.
Etliche Bücher in Timbuktu gesichert
Experten äußerten sich unterdessen erleichtert, dass die meisten historischen Schriften in Timbuktu trotz der Brandschatzungen der Islamisten unbeschädigt blieben. Offenbar seien anders als zunächst berichtet 95 Prozent der kostbaren Dokumente gesichert.
Aus malischen Kreisen verlautete, Sammler und Verwalter hätten die Dokumente vor den Rebellen in Sicherheit gebracht. Die schätzungsweise 300.000 Texte enthalten Abhandlungen über Themen wie Recht, Wissenschaften, Medizin, Geschichte oder Politik. Manche Experten halten sie für ähnlich bedeutend wie die Schriftrollen vom Toten Meer. Einige der Dokumente in Timbuktu stammen aus dem 13. Jahrhundert. Die Stadt gehört zum Weltkulturerbe und besteht aus einem Labyrinth aus engen Gassen, Moscheen und Lehmziegelhäusern.
Quelle: ntv.de, ieh/dpa/rts/AFP